VW Abgasskandal: Restschadensersatzanspruch beim Tiguan
Die Volkswagen AG ist im Dieselabgasskandal einmal mehr für die Manipulationen an einem VW Tiguan mit einem Dieselmotor der Baureihe EA189 und der Abgasnorm Euro 5 verurteilt worden.
Immer wieder zeigen verbraucherfreundliche Gerichtsurteile, dass der Dieselabgasskandal der ersten Generation um den Vierzylinder-Dieselmotor der Baureihe EA189 und der Abgasnorm Euro 5 für die Volkswagen AG nicht vorbei ist. Jetzt hat das Oberlandesgericht Düsseldorf das am 6. April 2021 verkündete Urteil des Landgerichts Mönchengladbach (Az.: 3 0 311/20) teilweise abgeändert und die Volkswagen AG dazu verurteilt, an die Klägerin Schadenersatz in Höhe von 22.039,49 Euro nebst jährlichen Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13. Oktober 2020 gegen Übereignung und Übergabe eines VW Tiguan 2.0 TDI mit einem Dieselmotor der Baureihe EA189 und der Abgasnorm Euro 5 verurteilt (Urteil vom 25. Januar 2022, Az.: I-1 U 64/21). Die Volkswagen AG wurde ferner verurteilt, an die Klägerin weitere 1.211,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13. Oktober 2020 zu zahlen. Die Klägerin kaufte am 2 Oktober 2012 das von der Beklagten hergestellte Neufahrzeug VW Tiguan 2.0 TDI zu einem Kaufpreis von 42.544 Euro. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat betrug die Laufleistung des Fahrzeugs 120.490 Kilometer.
Der Hintergrund der Verurteilung: Die in den hergestellten Motoren der Baureihe EA189 verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird, und schaltet in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid-optimierten Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist, stellt das Gericht heraus. Für die Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgebend war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand. Die Stickoxid-Grenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten.
Das Besondere an dem Verfahren ist laut Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung die Tatsache, dass das Gericht zwar eine Verjährung der Ansprüche nach § 826 BGB (also vorsätzliche sittenwidrige Schädigung) bestätigt hat. Der Kläger habe aber Ansprüche aus § 852 BGB im Rahmen eines „Restschadensersatzanspruchs“: „Nach dieser Bestimmung hat der Ersatzpflichtige selbst nach Verjährung des Schadenersatzanspruches nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben, was er durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten erlangt hat. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass der Anspruch aus § 852 BGB weiterhin ein deliktischer Schadensersatzanspruch ist. Der von VW erschlichene finanzielle Vorteil muss an die Geschädigten zurückgegeben werden, und die Verjährung tritt frühestens nach zehn Jahren ab Kauf ein“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde und hat das verbraucherfreundliche Urteil vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf erstritten.
„Das bedeutet: Nachdem der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 25. Mai 2020 bereits deliktische Ansprüche zugesprochen hat, stehen die Schadensersatzansprüche den geschädigten Dieselkäufern aus § 852 BGB in jedem Fall zu. Dass ein Oberlandesgericht dies jetzt für ein beinahe zehn Jahre altes Fahrzeug bestätigt und hohen Schadenersatz festgestellt hat, ist ein sehr gutes Zeichen für die geschädigten Verbraucher“, betont Dieselexperte Dr. Gerrit W. Hartung.