Volkswagen schadet sich im Dieselskandal bei Gutachten zu T5-Bulli selbst
Für Käufer beziehungsweise Halter von VW-Bullies mit dem Dieselmotor EA189 – dem Schummeldiesel der ersten Generation – kann sich die Situation bei ihren Betrugshaftungsklagen im Dieselabgasskandal gegen die Volkswagen AG noch einmal substanziell verbessern. Offensichtlich operiert VW zur Verteidigung in T5-Dieselverfahren mit einem Gutachten, dem zufolge selbst im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) die NOx-Werte überhöht sind – und behauptet gleichzeitig, der T5 halte die gesetzlichen Abgaswerte ein.
Der VW T5, der sogenannte VW-Bulli, steht steht seit längerer Zeit im Fokus des Dieselabgasskandals. Die teuren Fahrzeuge der früheren Generation sind mit dem Skandalmotor EA189 und der Abgasnorm Euro 5 ausgestattet. Beispielsweise hat der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung, bekannt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde vor dem Landgericht Osnabrück (Urteil vom 13.07.2020, Az.: 10 O 824/20) für einen geschädigten Halter eines Volkswagen Multivan T5 2.0 Liter TDI Schadenersatz nebst deliktischer Entziehungszinsen erstritten, der beinahe so hoch war wie der Kaufpreis zuzüglich des separat erworbenen Zubehörs. Besonders herauszustellen ist in dem Zusammenhang, dass damit zum damaligen Zeitpunkt auch der VW T5 mit dem Motorentyp EA189 als einziges VW-Fahrzeug in diesem Bereich ohne Kraftfahrt-Bundesamt-Rückruf das erste Mal wegen Betrugshaftung zurückabgewickelt wird.
Im EA189, dem VW-Schummeldiesel der ersten Generation (Dieselgate 1.0), wird bekanntlich eine Software verwendet, welche die Rate der Abgasrückführung im normalen Betrieb senkt und zur Verringerung des Stickoxidanteils im Abgas mehr Abgas zur Verbrennung zurückführt. Allein das Inverkehrbringen erfülle den Tatbestand der vorsätzlichen und objektiv sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB.
Das gleiche Landgericht hat auch in Oktober einen Beweisbeschluss im Dieselgate 1.0 getroffen und festgelegt, dass in einem Gerichtsverfahren über einen VW T5 California 2.0 TDI mit dem Skandalmotor EA189 ein schriftliches Sachverständigengutachten einzuholen ist. Damit soll geklärt werden, ob in der Motorsteuerung eine illegale Abschalteinrichtung in Form einer sogenannten Umschaltlogik installiert ist. Diese für die Abgaskontrollanlage zuständige Software erkenne laut Vortrag des geschädigten Verbrauchers anhand eines „unnatürlichen Fahrverhaltens“ (hohe Raddrehzahlen ohne Bewegung des Fahrzeugs). Unter diesen „Prüfstandsbedingungen“ sei die Abgasaufbereitung so optimiert, dass möglichst wenige Stickoxide (N0x) entstehen. Im normalen Fahrbetrieb dagegen würden Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb gesetzt mit der Folge, dass die NOx-Emissionen dann erheblich höher seien. Diese illegale Abschalteinrichtung diene laut dem Bullifahrer dem Zweck, die geltenden Abgasnormen zu umgehen. Dadurch drohe die Gefahr der Stilllegung des Fahrzeugs.
Für Halter von EA189-Bullies kann sich die Situation bei ihren Betrugshaftungsklagen gegen die Volkswagen AG nun noch einmal substanziell verbessern. Denn nach allem Anschein operiert VW zur Verteidigung in T5-Dieselverfahren mit einem Gutachten, dem zufolge selbst im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) die NOx-Werte überhöht sind. Im Realbetrieb entsprechen die von VW vorgelegten NOx-Werte den beiden Messergebnissen, die von der Deutschen Umwelthilfe DUH für zwei T5-Busse gemessenen wurden.
„Das Abstruse: In einem Verfahren vor dem Landgericht Heidelberg hat VW diese eigenen Messergebnisse vorgelegt und gleichzeitig behauptet, der T5 halte die gesetzlichen Abgaswerte ein. Außerdem wurde behauptet, die gleichartigen Messergebnisse der DUH seien falsch. Das ist ein billiger Versuch, sich aus der Verantwortung zu stehlen“, betont Anwalt Dr. Gerrit W. Hartung, Gründer der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.
Für den Rechtsanwalt ist diese Entwicklung ein weiterer Meilenstein in der verbraucherfreundlichen Rechtsprechung. Mehr und mehr wird jetzt deutlich, dass das Dieselgate um den Skandalmotor EA189 längst nicht beendet ist. Das gilt auch für Bullies der neuen Euro 6-Generation mit dem Skandalmotor EA288 im VW-Dieselgate 2.0. Kürzlich hat auch das Landgericht Hagen (Urteil vom 11.08.2020, Az.: 3 O 134/19) die Volkswagen AG verurteilt, einen EA288-T6 zurückzunehmen und Schadensersatz zu zahlen.