T6 Multivan 2.0 TDI 4-Motion vom Typ EA288 im Fokus des LG Hamburg
Das Landgericht Hamburg hat die Volkswagen AG zu Schadenersatz wegen Manipulationen an einem T6 Multivan 2.0 TDI 4-Motion verurteilt. In dem Fahrzeug ist ein von der Volkswagen AG hergestellter Motor des Typs EA288 mit der Abgasnorm Euro 6 verbaut.
Der T6, also der sogenannte Bulli, gehört zu den legendären Modellen der Volkswagen AG. Doch genauso wie viele Kompaktmodelle und Limousinen steht auch der VW-T6 regelmäßig im Mittelpunkt des Dieselabgasskandals. Das Landgericht Hamburg (Urteil vom 02.07.2021, Az.: 305 O 266/20) hat die Volkswagen AG jetzt dazu verurteilt, an den Halter eines T6 Multivan 2.0 TDI 4-Motion Schadenersatz in Höhe von 44.575,76 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Volkswagen AG wurde ebenso verurteilt, den Kläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 2.994,04 Euro freizustellen und die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der geschädigte Verbraucher hatte den T6 Multivan 2.0 TDI 4-Motion am 20. Juli 2017 zu einem Bruttokaufpreis von 54.200 Euro mit einem Kilometerstand von 20.700 Kilometern erworben. In dem Fahrzeug ist ein von der Volkswagen AG hergestellter Motor des Typs EA288 mit der Abgasnorm Euro 6 verbaut. Laut Gericht verfügt der T6 Multivan 2.0 TDI 4-Motion über eine sogenannte Fahrkurve, die erkennt, ob das Fahrzeug einen gesetzlichen Prüfzyklus, wie etwa den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ), durchfährt, und über einen SCR-Katalysator. „Der SCR-Katalysator verwendet einen Harnstoff, der handelsüblich mit „AdBlue“ bezeichnet wird. Den Abgasen wird diese Harnstofflösung beigemischt, um die Emissionen zu reduzieren. Dieser Harnstoff muss separat getankt und in einem separaten Tank geführt werden. Die Relation zwischen der Größe des Tanks und der Haltbarkeit einer Füllung ist ausschlaggebend für eine ordnungsgemäße Abgasreinigung. Wird zu wenig Harnstoff zugeführt, steigen die Emissionen an. Geregelt wird die AdBlue Dosierung durch eine Steuerungssoftware. Diese Software dosiert die Zufuhr der Harnstofflösung AdBlue anhand externer Bedingungen, mit der Folge, dass die Abgasreinigung jeweils aktiviert bzw. deaktiviert wird“, heißt es.
„Das Gericht hat die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung insofern bestätigt, als dass die Volkswagen AG dem potentielle Erwerber des streitgegenständlichen Fahrzeugs VW T6 getäuscht habe, indem sie mit dem Inverkehrbringen dieses mit dem Motor EA288 ausgestatteten Fahrzeugs konkludent erklärt habe, dass letzteres im Zeitpunkt des Vertragsschlusses über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis verfügen würde, deren Fortbestand nicht dadurch gefährdet sein würde, dass die erforderliche EG-Typengenehmigung durch eine Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamtes erschlichen worden sei“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.
Der Kläger hatte unter anderem vorgetragen, dass die Beklagte sich in Kenntnis und Veranlassung des Vorstands dafür entschieden habe, eine Software in Gestalt einer Zykluserkennung einzusetzen, um ausschließlich für den Prüfbetrieb eine Motoreinstellung zu besitzen, die die gesetzlichen Stickoxidwerte einhält, während im Fahrbetrieb die Stickoxidwerte deutlich überschritten würden. Nur auf dem Prüfstand werde ausreichend Harnstoff im Rahmen der AdBlue Dosierung genutzt, um die Emission gemäß den vorgegebenen Grenzwerten zu reduzieren.
Die Volkswagen AG wiederum habe den substantiierten Vortrag des Klägers nicht wirksam bestritten. Die Beklagte sei ihrer sekundären Darlegungslast, die sie aufgrund des allein ihr und nicht dem Kläger zugänglichen Wissens über den von ihr konstruierten Motor trifft, nicht nachgekommen. Im Rahmen der sekundären Darlegungslast müssen Autohersteller sich in Dieselverfahren von den Vorwürfen aktiv und mit weitreichenden Erklärungen zur Funktionsweise der Technologien entlasten. Es ist Sache der Beklagten, das Vorliegen der die unzulässigen Abschalteinrichtung begründeten Umstände substantiiert zu bestreiten.
Wir haben eine spezielle Website zur neuen EA288-Thematik eingerichtet und listen dort alle Modelle von Audi, VW, Seat und Skoda auf, die vom VW-EA288-Abgasskandal betroffen sind:
der VW Dieselskandal EA288
Dieselanwalt Dr. Gerrit W. Hartung betont: „Das neuerliche Urteil zeigt, dass das VW-Dieselgate 2.0 noch am Anfang steht, während Dieselgate 1.0 zusätzlich auch noch lange nicht erledigt ist. Mehr und mehr Gerichte verurteilen die Volkswagen AG für die Manipulationen am vermeintlich sauberen EA288 wegen der vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB und sprechen den Geschädigten hohe Schadensersatzzahlungen zu. Der Weg zu einer wirtschaftlich guten Lösung für Dieselfahrer im Dieselgate 2.0 führt also nur über die Gerichte!“