Seat Dieselskandal: Schadensersatz trotz Kauf nach Kenntnis
Es ist ein wichtiges Urteil im Dieselskandal rund um den VW-Motor EA189, der auch bei Seat verbaut ist: Fahrzeughalter, die ihren Seat-Diesel nach Veröffentlichung der Ad-hoc-Meldung zum VW-Abgasskandal am 22. September 2015 gekauft haben, haben laut dem Landgericht Mönchengladbach trotzdem einen Anspruch auf Schadensersatz.
Ein großes Thema im Volkswagen-Abgasskandal ist die Frage, inwiefern Besitzern von manipulierten Fahrzeugen, die ihre Autos nach Bekanntwerden des Dieselskandals gekauft haben, Schadensersatz zusteht. Die Antwort darauf: Es kommt darauf an. Zwar hat der Bundesgerichtshof beim Motorentyp EA189 herausgestellt, dass Käufer von VW-Dieselfahrzeugen keinen Schadensersatz erhalten, wenn sie ihr Fahrzeug nach Bekanntwerden des Abgasskandals im September 2015 gekauft haben. Der Anspruch auf eine Entschädigung entfalle also bei Kauf in Kenntnis, weil die Verbraucher aufgrund der umfassenden Medienberichterstattung über den VW-Abgasskandal betreffend den manipulierten EA189 aufgeklärt worden seien.
„Auf der anderen Seite sehen viele Gerichte dies aber anders, etwa das Landgericht Mönchengladbach im Falle eines Seat-Eigentümers. Fahrzeughalter, die ihren Seat-Diesel nach Veröffentlichung der Ad-hoc-Meldung zum VW-Abgasskandal am 22. September 2015 gekauft haben, haben trotzdem einen Anspruch auf Schadensersatz. Der Seat-Käufer habe nicht wissen können, dass der betroffene VW-Motor EA189 auch in einem Fahrzeug der Marke Seat eingesetzt wurde“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde.
Im streitgegenständlichen Fall hatte der Geschädigte am 28. Oktober 2015 einen Seat Exeo mit Dieselantrieb des Motorentyps EA189 und der Abgasnorm Euro 5 gekauft, also gut einen Monat nach Bekanntwerden des VW-Abgasskandals. Der Gebrauchtwagen kostete 15.450 Euro, und nun erhält der Kläger 3.185,06 Euro nebst Zinsen von VW zurück und das Dieselfahrzeug mit illegaler Abschalteinrichtung an den Hersteller zurückgeben. Das LG Mönchengladbach verurteilt die Volkswagen AG damit zu Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB.
Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung stellt heraus: „Trotz der Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilung durch Volkswagen am 22. September 2015 konnte der Verbraucher nicht wissen, welche Ausmaße und Konsequenzen der Abgasskandal hatte. Dem durchschnittlichen Verbraucher wäre die Motorbezeichnung EA189 zu diesem Zeitpunkt unbekannt gewesen, teilt das Landgericht mit. Mittlerweile haben damit mehrere Gerichte bestätigt, dass der Kauf nach Kenntnis eine Betrugshaftung nicht ausschließt.“ Dass in einige Seat-Modelle der Dieselmotor EA189 verbaut sei, konnten Käufer nicht wissen. Daher greife das Urteil des BGH in diesem Fall nicht.
Das bedeutet für den Dieselanwalt: „Auch Käufer, die nach Bekanntwerden des VW-Abgasskandals der ersten Generation mit dem Schummeldiesel des Motorentyps EA189 ihre Fahrzeuge in Treu und Glauben erworben haben, sollten ihre Schadensersatzansprüche auf dem Wege der Betrugshaftungsklage gegen die Volkswagen AG und ihre Tochtermarken prüfen lassen.“
Dr. Hartung verweist auch auf ein Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main: „Der Beginn der Verjährung kann auf gar keinen Fall mit dem Ende des Jahres 2015 angesetzt werden, da zu diesem Zeitpunkt eine hinreichend aussichtsreiche Klage gegen die Beklagte als Hersteller noch nicht erhoben werden konnte“, lautet die wichtige Aussage, die das Landgericht getroffen hat. Damit seien Forderungen im Diesel-Abgasskandal gegen VW bezüglich des Motorentyps EA189 gerade nicht verjährt: „Selbst bei verjährtem Anspruch aufgrund § 199 BGB besteht ein Restschadensersatzanspruch nach § 852 BGB, was in der bisherigen Rechtsprechung noch nicht in ausreichendem Maße zugunsten der Verbraucher berücksichtigt worden ist. Sehr positiv ist jetzt, dass Verbraucher ziemlich sicher auch weiterhin den Klageweg beschreiten können und mindestens bis Ende des Jahres 2020 keine Verjährung fürchten müssen“, betont Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.