Daimler muss Mercedes E 220 im Dieselskandal zurücknehmen
LG Stuttgart 12 O 368/19
Im Abgasskandal lassen sich auch Schadensersatzansprüche durchsetzen, wenn kein verpflichtender Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) für das Fahrzeug wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorliegt. Das zeigt ein Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 5. Dezember 2019 (Az.: 12 O 368/19). Das Gericht verurteilte Daimler einen Mercedes E 220 BlueTec zurückzunehmen und den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer zu erstatten.
Der Kläger hatte den Mercedes E 220 mit dem Dieselmotor OM 651 und der Abgasnorm Euro 6 im Juni 2016 gebraucht für 25.000 Euro gekauft. Drei Jahre später forderte er die Rückabwicklung des Kaufvertrags, da in dem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut sei. Ein sog. Thermofenster sorge dafür, dass die Abgasrückführung in bestimmten Temperaturbereichen reduziert wird und der Stickoxid-Ausstoß dadurch ansteigt. Ein verpflichtender Rückruf des KBA für das Fahrzeug lag zu dem Zeitpunkt nicht vor.
Das LG Stuttgart gab der Klage statt. Der Kläger sei von Daimler vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden und habe daher Anspruch auf Schadensersatz.
Das Thermofenster bei der Abgasrückführung stelle eine unzulässige Abschalteinrichtung dar, so das LG Stuttgart. Daimler habe das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in den Verkehr gebracht. Dem KBA seien dabei zulässige Emissionswerte nur vorgespiegelt und die EG-Typengenehmigung so erschlichen worden.
Tatsächlich habe das Fahrzeug die Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllt, so dass die Zulassung jederzeit hätte widerrufen werden können. Dadurch drohten Nutzugsbeschränkungen und Wertverlust des Fahrzeugs, stellte das LG Stuttgart klar.
Ein Hersteller sei verpflichtet, ein Fahrzeug so auszurüsten, dass die Emissionsgrenzwerte unter normalen Betriebsbedingungen und nicht nur im Prüfmodus eingehalten werden. Abschalteinrichtungen, die die Wirkung des Emissionskontrollsystems reduzieren, seien unzulässig. Dies sei auch unabhängig von dem Maß, in dem die Reduzierung erfolgt, führte das Gericht weiter aus.
Dem Kläger sei schon mit Abschluss des Kaufvertrags ein Schaden entstanden, da davon ausgegangen werden könne, dass er das Fahrzeug bei Kenntnis der Abgasmanipulationen nicht gekauft hätte. Er könne den Mercedes E 220 daher zurückgeben und die Erstattung des Kaufpreises verlangen. Für die gefahrenen rund 10.000 Kilometer mit dem Fahrzeug müsse er sich allerdings eine Nutzungsentschädigung in Höhe von rund 1.280 Euro anrechnen lassen, so dass er unterm Strich ca. 23.700 Euro erhält.
Der Dieselmotor des Typs OM 651 und auch die beanstandeten Thermofester werden in zahlreichen Mercedes-Modellen verwendet. „Das zeigt, dass Daimler tief im Abgasskandal steckt. Die geschädigten Käufer haben aber auch gute Aussichten, Schadensersatzansprüche durchzusetzen. Auch dann, wenn noch kein verpflichtender Rückruf des KBA vorliegt. Auch der BGH hat inzwischen bestätigt, dass ein Rückruf durch das KBA keine Voraussetzung ist“, sagt Rechtswalt Dr. Gerrit W. Hartung, Kooperationspartner der IG Dieselskandal.