Restschadensersatzanspruch im Abgasskandal laut BGH auch bei EU-Reimporten
Der Restschadensersatz ist eine gute Möglichkeit für geschädigte Verbraucher im Dieselabgasskandal, Schadenersatz zu erhalten und das Fahrzeug zu behalten. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass diese Grundsätze auch für den Erwerb im Wege des EU-Reimports gelten.
In den vergangenen Monaten hat sich für geschädigte im Dieselabgasskandal eine interessante Alternative zum klassischen Weg des Schadenersatzerhalts wegen vorsätzlicher sittenwidriger Haftung nach § 826 BGB herausgestellt. Der Restschadensersatzanspruch nach § 852 BGB besagt: „Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.“
Das bedeutet:
„Nach dieser Bestimmung hat der Ersatzpflichtige selbst nach Verjährung des Schadenersatzanspruches nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben, was er durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten erlangt hat. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass der Anspruch aus § 852 BGB weiterhin ein deliktischer Schadensersatzanspruch“, erklärt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.
Das hat der Bundesgerichtshof bestätigt (Urteile vom 21. Februar 2022, Az.: VIa ZR 8/21 und VIa ZR 57/21). Der VIa. Zivilsenat hat in beiden Verfahren auf die Revisionen der Kläger die Berufungsurteile insoweit aufgehoben, als die Berufungsgerichte einen Anspruch auf Schadensersatz auf der Grundlage des von den Klägern verauslagten Kaufpreises verneint und den Anträgen auf Feststellung des Annahmeverzugs nicht entsprochen haben. Das ist ein wegweisendes Urteil. Damit können eben auch dann Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden, wenn der Tatbestand der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB wegen eingetretener Verjährung nicht mehr besteht.
Der Bundesgerichtshof hat nun auch festgestellt (Urteil vom 13. Juni 2022, Az.: VIa ZR 680/21), dass diese Grundsätze auch für den Erwerb im Wege des EU-Reimports gelten.
„Die Beteiligung eines weiteren, im EU-Ausland ansässigen Zwischenhändlers neben dem inländischen Händler und Verkäufer schließt eine Vermögensverschiebung vom geschädigten Erwerber zum Hersteller eines vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Dieselfahrzeugs im Sinne von §§ 826, 852 Satz 1 BGB nicht aus“, heißt es in der entsprechenden Pressemitteilung.
Voraussetzung dafür sei, dass der Fahrzeugerwerb durch den geschädigten Erwerber zu einem korrespondierenden Vermögenszuwachs beim Hersteller geführt habe. Das sei dann der Fall, wenn weder der inländische Händler noch der ausländische Zwischenhändler das Fahrzeug zuvor unabhängig von der Bestellung des Geschädigten auf eigene Kosten und eigenes Absatzrisiko erworben habe.
Der geschädigte Verbraucher bestellte am 13. August 2014 bei einem deutschen Händler als EU-Reimport einen Neuwagen des Typs VW Tiguan zum Preis von 30.000 Euro. Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 25. Oktober 2014 mit einer EG-Übereinstimmungsbescheinigung und einer Laufleistung von 0 Kilometern übergeben. Der deutsche Händler hatte das Fahrzeug zuvor von einem Händler in einem anderen EU-Mitgliedstaat erhalten, der es von der Beklagten erworben hatte. Für den Dieselexperten Dr. Gerrit W. Hartung ist das Urteil ein weiterer wichtiger Schritt in der verbraucherfreundlichen Rechtsprechung. „Auch Käufer von EU-Reimporten können somit unter gewissen Bedingungen die vorteilhaften Regelungen des Restschadensersatzanspruchs nach § 852 BGB in Anspruch nehmen!“