Problem mit Betriebsschließungsversicherungen: Gastronomen und Hoteliers können Chancen gegen zahlungsunwillige Versicherungsgesellschaften nutzen
Die Betriebsschließungsversicherung hat sich in Zeiten des zweiten Corona-Lockdown zu einem Thema entwickelt, das kaum noch Zeit zum Durchatmen lässt. Wichtig ist für betroffene gastgewerbliche Unternehmer, dass sie die Versicherungsbedingungen ihrer Betriebsschließungsversicherung genau von einem spezialisierten Rechtsanwalt überprüfen lassen. Zugleich sollten sich Versicherungsnehmer nicht von den aktuellen Nachrichten verrückt machen lassen, dass die Allianz die bisherigen Bestandsverträge in der Betriebsschließungsversicherung loswerden will.
Für das vom erneuten Lockdown im Rahmen der Covid-19-Pandemie stark betroffenen Gastgewerbe und die Tourismus- und Veranstaltungsbranche hat sich die Betriebsschließungsversicherung zu einem Thema entwickelt, das kaum noch Zeit zum Durchatmen lässt. Einige Versicherer sahen in ihren Bedingungen keinen Versicherungsschutz für die Corona-Pandemie vorliegen. Betroffene Betriebe gingen dann trotz Vertrag leer aus oder folgten dem sogenannten Bayerischen Kompromiss beziehungsweise anderen Vergleichen. Diese sahen/sehen freiwillige Zahlungen der Versicherer vor, die weit unter den eigentlichen Ansprüchen der Versicherungsnehmer liegen/lagen. Und weil die betroffenen Unternehmen dringend Liquidität benötigen, stimmen sie oftmals diesen Vergleichen zu ihrem Nachteil vor.
Auf der anderen Seite gehen auch mehr und mehr Gastronomen und Hoteliers gegen diese Ablehnung der Deckung vor. Einige Urteile liegen mittlerweile vor, der Großteil der Fälle muss erst noch entschieden werden. Das Münchener Landgericht beispielsweise sprach dem Pächter des Augustiner-Kellers in der bayerischen Landeshauptstadt 1,014 Millionen Euro Entschädigung zu. Zahlen muss diese Summe die Versicherungskammer Bayern. Bei ihr hatte der Pächter am 5. März 2020 eine Police zum Schutz vor den finanziellen Folgen einer möglichen Betriebsschließung unterschrieben. Er wollte sich für den Fall absichern, dass er sein Traditionslokal und den Biergarten mit rund 5.000 Sitzplätzen wegen der COVID-19-Pandemie zeitweise nicht würde öffnen können. Auf der anderen Seite haben das Oberlandesgericht Hamm, das Landgericht Ellwangen und das Landgericht Essen entschieden, dass Betriebsschließungen im Zusammenhang mit dem aktuellen Epidemiegeschehen nicht versichert seien. Insofern gilt: Allgemeingültige Aussagen für den Ausgang weiterer Prozesse sind bisher nur schwer zu treffen.
Wichtig ist daher für betroffene gastgewerbliche Unternehmer, dass sie die Versicherungsbedingungen ihrer Betriebsschließungsversicherung genau von einem spezialisierten Rechtsanwalt überprüfen lassen. Stellt sich heraus, dass ihnen rechtlich gesicherte Ansprüche zustehen, sollten sie nicht scheuen, im Zweifel die komplette Palette der möglichen Rechtsmittel bis hin zur Versicherungsschutzklage einzusetzen. Denn es bestehen gute Chancen, dass Versicherungsgesellschaften sich gerade nicht darauf berufen können, dass COVID-19 gar nicht im Infektionsschutzgesetz gelistet und damit Betriebsschließungen aufgrund dieser Krankheit regulierungspflichtig seien.
Zugleich sollten sich Versicherungsnehmer nicht von den aktuellen Nachrichten verrückt machen lassen, dass die Allianz die bisherigen Bestandsverträge in der Betriebsschließungsversicherung loswerden will und ihren Kunden – branchenübergreifend – neue Verträge anbietet. Sollten diese das neue Angebot nicht annehmen, werden die bestehenden Verträge gekündigt. Andere Versicherer wollen diesem Beispiel offensichtlich folgen. „Die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie machten eine Neugestaltung unserer Betriebsschließungsprodukte notwendig. Damit schaffen wir für unsere Kunden Rechtssicherheit durch Stärkung von Klarheit und Transparenz insbesondere im Deckungs- und Leistungsumfang. Wir informieren noch klarer als bisher, dass kein Versicherungsschutz für die auslösende Krankheit besteht, solange diese Krankheit von der WHO als Pandemie geführt wird. Die Versicherung des Corona-Virus in Zeiten der Pandemie ist nach unserer Auffassung risikotechnisch zu fairen Preisen nicht möglich“, betont ein Unternehmenssprecher der Allianz Deutschland gegenüber dem Fachportal „VWheute2.
Anlass der Umstellung sind zahlreiche Klagen gegen Versicherer nach den Schließungen von Hotels und Gaststätten während der Corona-Krise. Allein die Allianz sieht sich derzeit rund 140 solcher Streitigkeiten gegenüber. Sie betrachtet die Fälle als nicht abgedeckt, die Kläger sehen das anders. Vor Gericht wurden die Versicherungsbedingungen teilweise als zu unklar kritisiert – nicht nur bei der Allianz. Das berichtet FVW Medien.
Kritik an der Versicherungswirtschaft kommt in diesem Zusammenhang vom Mittelstandsbeauftragten der Bundesregierung, Thomas Bareiß. „Gerade die Unternehmen der Gaststättenbranche und Hotels wollten durch ihre Betriebsschließungsversicherung Sicherheit schaffen und werden jetzt in dieser schwierigen Lage der Pandemie im Stich gelassen. So ein Verhalten ist einfach unanständig!“
Für betroffene Gastronomen und Hoteliers kann dies zu weiteren Chancen bei ihrem Vorgehen gegen eine zahlungsunwillige Versicherungsgesellschaft sein!
Dr. Gerrit W. Hartung ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht und Geschäftsführer der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft in Mönchengladbach. Die Kanzlei hat sich ausschließlich auf den Verbraucherschutz spezialisiert und berät in diesem Zusammenhang Gastronomen, Hoteliers und MICE-Unternehmer bei der gerichtlichen und außergerichtlichen Durchsetzung ihrer Ansprüche aus Betriebsschließungsversicherungen. Unter www.betriebsschliessung-corona.de hat Dr. Gerrit W. Hartung eine spezielle Website für geschädigte Gastronomen, Hoteliers und MICE-Unternehmer zum Thema Betriebsschließung Corona eingerichtet.