Online-Glücksspiel: Gerichte müssen nicht auf BGH-/ EuGH-Urteile warten
Das Landgericht Bayreuth hat das Ansinnen einer Online-Glücksspiel-Anbieterin abgelehnt, zur Fortsetzung eines Verfahrens auf eine Entscheidung des EuGH in diesem Komplex zu warten.
Immer mehr Landgerichte und Oberlandesgerichte verurteilen die Betreiberinnen von Online-Glücksspiel- und auch Online-Sportwetten-Angeboten zu Schadenersatz. Es lässt sich üblicherweise leicht nachweisen, dass diese Unternehmen nicht über die notwendige deutsche Lizenz für den Betrieb von Online-Casinos oder auch für das Angebot von Online-Sportwetten verfügten. Bekanntlich galt in Deutschland bis zum 1. Juli 2021 ein umfassendes Verbot für öffentliche Glücksspiele im Internet. Dieses Verbot resultierte aus § 4 Abs. 4 Glücksspielstaatsvertrag, und auch heute ist das Angebot von Online-Casinos ohne explizite behördliche Lizenz nicht erlaubt. Das bedeutet: Wenn die Anbieterin nicht über eine gültige Lizenz für das öffentliche Veranstalten und Vermitteln von Glücksspielen in Deutschland verfügte, sind die Zahlungen zu Unrecht erfolgt. Die Verträge zwischen den Parteien sind somit unwirksam und die Online-Glücksspiel-Anbieterinnen müssen das Geld an die Spieler bzw. an die Wetter zurückzahlen.
„Aufgrund der Vielzahl der verbraucherfreundlichen Urteile ist es nicht verwunderlich, dass Betreiberinnen von Online-Glücksspiel-Angeboten alles versuchen, um den Verurteilungen zu entgehen. Dafür bleiben ihre Karten aber schlecht, denn einen durchsichtigen Versuch hat das Landgericht Bayreuth nun nachdrücklich abgelehnt. Die beklagte Betreiberin wollte das Verfahren vor dem Landgericht mit Hinweis auf eine ausstehende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs EuGH in der gleichen Rechtssache aussetzen lassen. Dafür liegen aber die gesetzlichen Voraussetzungen eindeutig nicht vor“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.
Der Hintergrund der Entscheidung: Auch wenn es Verfahren vor dem EuGH oder BGH zu einer ähnlichen Thematik gebe, müssten Instanzgerichte nicht deren Entscheidung abwarten und Verfahren aussetzen, betonte das Landgericht Bayreuth. Der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes, also des Rechts auf Anrufung staatlicher Gerichte – die sogenannte Rechtsweggarantie –, sei damit nicht gefährdet, im Gegenteil: Es gehöre auch zum effektiven Rechtsschutz, innerhalb einer vertretbaren Zeit eine gerichtliche Entscheidung zu treffen. Dieser Grundsatz würde beeinträchtigt, wenn gerade im Verbraucherschutzrechte immer erst auf die Entscheidung des EuGH oder des Bundesgerichtshofs zu einer Vorlagefrage gewartet werde.
„Daraus ergibt sich eine eindeutige Rechtslage. Wer vor dem Stichtag 1. Juli 2021 bei einem Online-Glücksspiel-Anbieter Geld verloren hat, kann dieses auf jeden Fall zurückfordern. Daran ändern auch Versuche nichts, die Verfahren auszusetzen!“, betont Glücksspielrechtsexperte Dr. Gerrit W. Hartung.