OLG Stuttgart setzt neue Maßstäbe für den Verbraucherschutz im digitalen Bildungsmarkt: Online-Coaching und Fernunterricht im Fokus!

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat in einem richtungsweisenden Urteil festgestellt, dass Online-Coaching-Programme unter das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) fallen können, auch wenn die Möglichkeit zur direkten Interaktion über Videokonferenzen besteht. Dieses Urteil fördert den Schutz der Teilnehmer und definiert eindeutige Anforderungen für Anbieter digitaler Bildungsformate.

OLG Stuttgart setzt neue Maßstäbe für den Verbraucherschutz im digitalen Bildungsmarkt: Online-Coaching und Fernunterricht im Fokus!

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat am 29. August 2024 (Az: 13 U 176/23; Vorinstanz: LG Heilbronn, Urteil vom 19. Dezember 2023, Az.: 3 O 108/23) ein entscheidendes Urteil zum Thema „Online-Coaching“ gefällt. Im Mittelpunkt des Verfahrens stand die Frage, ob ein Online-Coaching-Programm den Regelungen des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) unterliegt. Diese Entscheidung hat umfassende Auswirkungen auf Anbieter solcher Dienstleistungen sowie auf die Teilnehmer von Online-Kursen, insbesondere in Bezug auf den Verbraucherschutz.

Der Kläger, der ein kostenpflichtiges Business-Mentoring-Programm gebucht hatte, forderte die Rückzahlung eines bereits gezahlten Betrags von 23.800 Euro, da die Beklagte über keine Genehmigung gemäß dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) verfügte. Das Programm, das überwiegend online stattfand, umfasste sowohl Wissensvermittlung als auch Persönlichkeitsentwicklung und wurde durch wöchentliche Online-Sitzungen und Lehrvideos angeboten. Der Kläger argumentierte, dass der Vertrag aufgrund des Verstoßes gegen das FernUSG nichtig sei, wodurch keine Zahlungsverpflichtung bestehe.

In erster Instanz wies das Landgericht Heilbronn die Klage ab. Es stellte fest, dass das Programm nicht unter das FernUSG fällt, da der Anbieter keine regelmäßige Lernerfolgskontrolle vorsah. Zudem sah das Landgericht keinen Verstoß gegen die guten Sitten gemäß § 138 BGB, da keine verwerfliche Gesinnung der Beklagten erkennbar war“, erläutert Dr. Gerrit W. Hartung, Rechtsanwalt aus Mönchengladbach, von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (www.hartung-rechtsanwaelte.de). Die Kanzlei konzentriert sich ausschließlich auf Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich insbesondere auf die Durchsetzung von Ansprüchen geschädigter Verbraucher gegen Online-Coaching-Anbieter und Online-Casinos spezialisiert.

„Das OLG Stuttgart hat das Urteil der ersten Instanz hingegen revidiert und der Berufung des Klägers stattgegeben. Somit ist die Beklagte verpflichtet, an den Kläger 23.800 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31. Mai 2023 zu zahlen. Außerdem hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu übernehmen, einschließlich der erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten der Drittwiderbeklagten“, betont Dr. Hartung.

Das Oberlandesgericht entschied, dass der Vertrag gemäß § 7 Abs. 1 FernUSG in Verbindung mit § 12 Abs. 1 FernUSG ungültig ist, da die Beklagte nicht über die erforderliche Genehmigung für das Programm nach dem FernUSG verfügte. Besonders hervorzuheben ist die Argumentation des Gerichts in Ziffer 31, die feststellt, dass die Voraussetzung der „räumlichen Trennung“ im Sinne von § 1 Abs. 1 FernUSG auch im Kontext von Online-Unterricht gegeben ist. Diese räumliche Trennung ist gegeben, selbst wenn eine synchrone Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden, etwa durch Videokonferenzen, stattfindet.

Der Verbraucherschutzexperte erläutert: „Die Entscheidung des OLG Stuttgart verdeutlicht die umfassende Auslegung der Bestimmungen des FernUSG. Das Gesetz wurde 1976 eingeführt, zu einer Zeit, als Online-Lernformate wie Videokonferenzen noch nicht verfügbar waren. Dennoch hatte der Gesetzgeber bereits damals den Anspruch, alle Unterrichtsformen, die nicht in Präsenz stattfinden, unter das FernUSG zu stellen. Das Gericht betonte, dass der Schutz der Teilnehmer an Online-Kursen besonders wichtig ist, da unseriöse Anbieter in diesem Bereich geringere Hürden haben als bei Präsenzveranstaltungen. Die Notwendigkeit, in physische Räumlichkeiten zu investieren, sowie die stärkere soziale Kontrolle durch die unmittelbare Interaktion mit anderen Teilnehmern entfallen bei Online-Angeboten, was das Risiko von minderwertigen Kursen erhöht.“

Diese umfassende Auslegung hat erhebliche Auswirkungen auf Anbieter von Online-Coaching-Programmen. Sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass ihre Angebote den Vorgaben des FernUSG unterliegen, auch wenn die Programme interaktive Elemente wie Live-Sitzungen oder die Möglichkeit zur Fragenstellung enthalten. Entscheidend ist, dass bei Online-Programmen eine überwiegende räumliche Trennung zwischen Lehrenden und Lernenden gegeben ist. Laut dem Urteil des OLG Stuttgart ist dies bereits der Fall, wenn der Unterricht überwiegend online stattfindet.

Teilnehmer solcher Programme sollten sich ihrer Rechte bewusst sein. Besonders wenn Unsicherheiten bezüglich der Genehmigung des Anbieters bestehen, können sie ihre Ansprüche überprüfen lassen. Das Urteil des OLG Stuttgart stärkt den Verbraucherschutz und dient als wertvolle Orientierung in dem wachsenden Markt für digitale Bildungsangebote. „Diese Entscheidung zeigt außerdem, dass der Gesetzgeber den Schutz der Teilnehmer priorisiert, unabhängig davon, ob der Unterricht in Präsenz oder online erfolgt. Dies ist in Anbetracht des zunehmenden Angebots digitaler Lernformate von erheblicher Bedeutung. Offensichtlich ist die übliche Argumentation mancher Anbieter, dass die meisten Unterrichtseinheiten in Form von Live-Calls per Video durchgeführt werden, nicht ausreichend, um sich gegen die Ansprüche der Betroffenen zu verteidigen“, betont Dr. Hartung abschließend.