OLG Naumburg könnte für weitere Bewegung im VW-Abgasskandal / Dieselgate 2.0 sorgen!
Der neunte Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg nimmt im VW-Dieselgate 2.0 dezidiert die Fahrkurvenerkennung in den Blick. Dabei dürfte es um eine Abschalteinrichtung handeln. Das setzt die verbraucherfreundliche Rechtsprechung rund um den EA288 fort: Zuletzt ist in Naumburg das erste erfolgreiche obergerichtliche Urteil gegen die Volkswagen AG zu einem Fahrzeug, in dem ein Motor EA288 verbaut ist, ergangen.
Das Oberlandesgericht Naumburg steht wieder im Fokus beim Dieselgate 2.0 rund um den Volkswagen AG-Motor EA288. Jetzt hat der neunte Zivilsenat einen interessanten Beschluss gefasst: „Der Senat geht derzeit davon aus, dass es sich bei der Fahrkurvenerkennung um eine Prüfstandserkennung handelt, die die Funktion einen zentralen Bestandteil des Emissionskontrollsystems beeinflusst. Nach Vortrag der Beklagten wird der NKS-Katalysator bei der Fahrkurvenerkennung beeinflusst. Diese Regeneration findet im Normalbetrieb unter anderen Bedingungen statt. Insoweit dürfte es sich hierbei um eine Abschalteinrichtung handeln, da die Motorsteuerungssoftware die Funktion eines Teils des Emissionskontrollsystems zum Zweck der Verbesserung der Abgaswerte auf dem Prüfstand beeinflusst.“
„Durch die Fahrkurvenerkennung als Zykluserkennung erkennt ein Fahrzeug bekanntlich, wenn es einen bestimmten Fahrzyklus auf einem Rollenprüfstand abfährt und die Motorsteuerung auf ein entsprechend schadstoffarmes Kennfeld umschaltet. Dadurch werden die Abgasrichtlinien der EU zwar in einer Prüfungssituation erreicht, aber nicht auf der Straße. Damit rückt ein neuer Aspekt im Dieselgate 2.0 in den Fokus, und der Beschluss des Oberlandesgerichts kann zu weiterer Bewegung im Abgasskandal führen“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.
Er verweist auch auf das kürzlich ergangene Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg zum EA288 (Urteil vom 09.04.2021, Az.: 8 U 68/20). Es hat das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Halle (Urteil vom 19.11.2020, Az.: 5 O 90/20) ausdrücklich aufgehoben. Der geschädigte Verbraucher erhält für seinen VW Golf 2.0 TDI Highline (Erstzulassung am 4. September 2015, Erwerb am 10. Oktober 2017 mit einer Gesamtfahrleistung von 17.450 Kilometern) Schadenersatz in Höhe von 20.885,71 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 3. April 2020. Die Volkswagen AG muss 85 Prozent der Verfahrenskosten zahlen. Das Besondere: Der Kläger hatte 21.750 Euro für sein Fahrzeug gezahlt und erhält damit annähernd den gesamten Kaufpreis zurück.
„Es handelt sich um das erste erfolgreiche obergerichtliche Urteil gegen die Volkswagen AG zu einem Fahrzeug, in dem ein Motor EA288 verbaut ist. Für das Fahrzeug gab es keinen amtlichen Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes. Das Landgericht Halle hatte die Klage des geschädigten Verbrauchers noch fälschlicherweise abgewiesen. Diese sei hinsichtlich des behaupteten Vorliegens unzulässiger Abschalteinrichtungen nicht ausreichend substantiiert gewesen“, betont Dr. Hartung. „Im Gegensatz dazu hat das Oberlandesgericht Naumburg die hinreichenden Argumente des Verbrauchers sehr wohl anerkannt und unterstützt nachdrücklich die Ansicht, dass auch in dem Nachfolgedieselmotor EA288 eine illegale Abschalteinrichtung installiert und genutzt wird.“
Dieselexperte Dr. Gerrit W. Hartung hält dieses Urteil für bahnbrechend im Sinne geschädigter Verbraucher: „Die Volkswagen AG verliert immer mehr an Boden, sich aus dem Abgasskandal herauszureden. Käufer müssen die massiven Wertverluste und möglicherweise drohenden Fahrverbote im Dieselskandal nicht einfach hinnehmen, sondern können auf dem Wege der Betrugshaftungsklage ihre Fahrzeuge zurückgeben und sich dafür entschädigen lassen. Der Weg zu einer wirtschaftlich guten Lösung für Dieselfahrer im VW-Dieselgate 2.0 führt also nur über die Gerichte!“
Die Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH hat eine spezielle Website zur neuen EA288-Thematik eingerichtet und listet dort alle Modelle von Audi, VW, Seat und Skoda auf, die vom VW-EA288-Abgasskandal betroffen sind.