OLG Köln verwirft erstinstanzliches Urteil im Daimler-Abgasskandal
Das Landgericht Aachen hat eine Betrugshaftungsklage gegen die Daimler AG abgelehnt und die Behauptungen des Klägers, es liege in der Mercedes-Benz E-Klasse eine illegale Abschalteinrichtung vor, als „ins Blaue hinein“ verworfen. Dem hat das Oberlandesgericht Köln nachdrücklich einen Riegel vorgeschoben.
Das Oberlandesgericht Köln hat in einem aufsehenerregenden Verfahren (Urteil vom 16.04.2021, Az.: 19 U 53/20) ein Urteil des Landgerichts Aachen (8 O 430/19) aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverwiesen. Streitgegenständlich ist ein Mercedes-Benz E 220 CDI mit dem Dieselmotor des Typs OM651 und der Schadstoffklasse Euro 5. Der Halter hatte den Wagen am 27. März 2014 zum Preis von 31.450 Euro mit einer Laufleistung von 26.450 Kilometern erworben und zum Teil durch ein Darlehen der Mercedes-Benz Bank AG finanziert. Der Gesamtbetrag des aufgenommenen Darlehens inklusive Zinsen (3.416,29 Euro) betrug 26.721,43 Euro, die Anzahlung belief sich auf 8144 Euro.
„Der Kläger hat behauptet, dass in dem Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut seien, und zwar zum einen in Form eines sogenannten Thermofensters und zum anderen in Form einer Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung. Das Thermofenster reduziere zu Beginn der Warmlaufphase und bei einstelligen positiven Außentemperaturen die Wirkweise der Abgasrückführung. Hierdurch komme es zu einem Anstieg der Stickoxidemissionen. Daher begehrt er Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde.
Die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung bewirke, dass bei der für die Typenzulassung notwendigen Prüfung im Labor eine niedrigere Kühlmitteltemperatur und auch eine andere Abgasreinigungsstrategie angewendet werde, führte der geschädigte Verbraucher weiter aus. Dies betreffe auch die hier streitgegenständliche E-Klasse. Die Kühlsteuerung werde außerhalb der Bedingungen des Neuen Europäischen Fahrzyklus NEFZ abgeschaltet, das Fahrzeug verfüge aber über eine Steuerung, die die Bedingungen des NEFZ erkenne.
„Das Landgericht hat die Klage erstinstanzlich abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass aus dem unterstellten Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen aufgrund eines Thermofensters und einer Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung nicht zwingend folge, dass die Beklagte beim Inverkehrbringen der Motoren mit einer solchen Software auch vorsätzlich im Hinblick auf eine sittenwidrige Schädigung im Sinne von § 826 BGB gehandelt habe. Der Einsatz des Thermofensters sei gerechtfertigt zum Motor- und Bauteilschutz“, gibt Dr. Hartung die Begründung wieder.
Auch hat das Landgericht Aachen argumentiert, hinsichtlich der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung sei eine Tatsachengrundlage für die Behauptung des Klägers, dass diese im streitgegenständlichen Fahrzeug zum Einsatz komme, nicht ersichtlich. Überdies habe der Kläger nicht erläutert, wie der Prüfstand durch die Software erkannt wurde. Jedenfalls fehle es auch insoweit an der Darlegung eines Schädigungsvorsatzes der Beklagten. „Das hat das Oberlandesgericht Köln vollständig verworfen und festgestellt, dass das Urteil an Gehörsverletzung leide, weil die Einholung eines klägerseits angebotenen Sachverständigengutachtens zur Frage einer prüfstandoptimierten Abschalteinrichtung bei dem Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs unterblieben sei. Es war also nicht gerechtfertigt, einfach den Vorwurf einer Behauptung ‚ins Blaue hinein‘ aufzustellen“, kommentiert Dieselexperte Dr. Gerrit W. Hartung, der zu dieser Fragestellung bereits ein positives Urteil des Bundesgerichtshofs gemeinsam mit einem kooperierenden BGH-Anwalt erstritten hat.
Danach können Schadensersatzansprüche im Abgasskandal gegen die Daimler AG von einem Gericht nicht einfach als Behauptungen „ins Blaue hinein“ abgewiesen werden. Im umgekehrten Falle könne auch die Daimler AG nicht einfach das Vorliegen ohne jede weitere Erklärung bestreiten. Die Daimler AG trifft damit die sekundäre Darlegungslast. In diesem Rahmen muss der Autohersteller sich von den Vorwürfen aktiv und mit weitreichenden Erklärungen zur Funktionsweise der Technologien entlasten. Entspricht das Unternehmen dem nicht, kann es auch keine Entlastung von den Vorwürfen geben.
„Insofern hat das Oberlandesgericht Köln klargestellt, dass das Landgericht Aachen die Ausführungen des Klägers nicht einfach abtun konnte. In der Folge argumentiert das Gericht auch zutreffend, unter welchen Bedingungen Bauteile als unzulässige Abschalteinrichtungen gewertet werden können. Dieses Urteil eines Oberlandesgerichts ist maßgeblich für viele weitere Urteile und wird die Position geschädigter Verbraucher in Betrugshaftungsklagen stark verbessern“, betont der Dieselanwalt.