Millionen Spieler könnten profitieren: Tipico bereitet sich auf Rückzahlungen im Online-Glücksspiel vor
Ein Interview mit dem Vorstand Axel Hefer von Tipico in der „FAZ“ sorgt für Aufsehen: Sollte der Europäische Gerichtshof die bisherigen Praktiken von Online-Casino-Spielen und Online-Sportwetten ohne deutsche Lizenz als rechtswidrig einstufen, zeigt sich Tipico offen für mögliche Rückzahlungen, die Kunden zustehen könnten. Dies könnte dazu führen, dass Millionen von Kunden erstmals in Betracht ziehen müssen, eine Rückzahlung ihrer Verluste zu erhalten.
In einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 16. April 2025 hat Axel Hefer, Vorstandsvorsitzender von Tipico, eine bemerkenswert offene Haltung zur möglichen Gefahr von Rückforderungen in Milliardenhöhe durch das Unternehmen eingenommen. Hintergrund ist ein Verfahren, das am 9. April 2025 vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt wurde und sich mit der Legalität von Online-Casino-Spielen ohne deutsche Lizenz beschäftigt. In einem bevorstehenden Verfahren wird die gleiche Rechtsfrage für Online-Sportwetten ohne nationale Lizenz in Deutschland geklärt werden müssen. Die Diskussion um die Legalität dieser Angebote erhält somit eine neue Dynamik.
“Für lange Zeit befanden sich Anbieter wie Tipico, Bwin oder Bet365 in einem rechtlichen Graubereich. Obwohl viele von ihnen Lizenzen aus EU-Staaten wie Malta besaßen, fehlte ihnen oft eine explizite Genehmigung für den deutschen Markt bis zur Einführung des neuen Glücksspielstaatsvertrags im Jahr 2021”, erklärt Dr. Gerrit W. Hartung, Rechtsanwalt aus Mönchengladbach und Gründer der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (www.hartung-rechtsanwaelte.de). “Vor diesem Zeitpunkt war das Veranstalten von Online-Glücksspielen in Deutschland grundsätzlich untersagt, es sei denn, es lag eine spezielle Ausnahmegenehmigung vor, die in der Regel nicht erteilt wurde. Dies führte dazu, dass viele Angebote formell illegal erschienen.” Die Kanzlei spezialisiert sich neben der Beratung von Abgasskandal-Betroffenen auf die Durchsetzung von Ansprüchen geschädigter Verbraucher gegen Online-Casinos im Bereich Anleger- und Verbraucherschutz.
Besonders auffällig ist die klare Positionierung von Tipico selbst in dieser Angelegenheit. Hefer betonte im Interview, dass das Unternehmen sich nicht auf die umstrittene “Bill 55” auf Malta berufen werde, die derzeit die Vollstreckung ausländischer Urteile einschränkt. Stattdessen unterstrich er: „Wir sind ein maltesisch-deutsches Unternehmen mit 1500 eigenen Mitarbeitern an mehreren bedeutenden Standorten in Deutschland. Es ist für uns selbstverständlich, dass wir uns nicht hinter maltesischen Gesetzen verstecken.“ Diese Aussage sendet ein deutliches Signal sowohl an Spieler als auch an Gerichte.
Die potenziellen Auswirkungen einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs sind enorm. Experten schätzen, dass Rückforderungen von bis zu 20 Milliarden Euro im Raum stehen könnten. Personen, die vor 2021 bei Anbietern ohne gültige deutsche Lizenz Einsätze getätigt und Verluste erlitten haben, könnten diese künftig erfolgreich zurückfordern. Viele Landgerichte entscheiden bereits heute verbraucherfreundlich in ähnlichen Fällen. Die rechtliche Argumentation basiert darauf, dass Spielverträge ohne behördliche Genehmigung gegen geltendes Recht verstoßen und daher nichtig sind. Rückforderungsansprüche können sowohl aus dem Zivilrecht als auch aus deliktischen Grundsätzen abgeleitet werden.
“Angesichts dieser Entwicklungen sollten Spieler, die bisher ihre Verluste hingenommen haben, aktiv werden“, kommentiert Glücksspielrechtsexperte Dr. Gerrit W. Hartung. “Zahlreiche Urteile deutscher Gerichte zeigen, dass selbst ältere Forderungen unter bestimmten Bedingungen noch durchsetzbar sind. Zum Beispiel ermöglicht § 852 BGB auch nach Ablauf der regulären Verjährungsfrist die Rückforderung aus unerlaubter Handlung, sofern der Anbieter rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat. Dass dies bei Angeboten ohne Lizenz regelmäßig der Fall ist, haben verschiedene Oberlandesgerichte inzwischen festgestellt.”
Die Äußerungen des Tipico-Vorstands könnten einen Wendepunkt in der öffentlichen Debatte markieren. Sie deuten darauf hin, dass selbst große Anbieter eine verbraucherfreundliche Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für möglich halten und sich auf entsprechende Konsequenzen vorbereiten. Dies könnte betroffenen Spielern neue Hoffnung geben, denn wer zu Zeiten gespielt hat, als keine gültige deutsche Lizenz vorlag und dabei Verluste erlitten hat, muss diese nicht einfach hinnehmen.
Die rechtliche Landschaft entwickelt sich momentan rasch weiter, insbesondere im Bereich des Verbraucherschutzes im Glücksspielsektor. Jedes neue Urteil verdeutlicht, dass der Schutz von Verbrauchern eine zunehmend zentrale Rolle spielt. Das Interview mit Tipico zeigt, dass die Branche die Signale erkennt und sich auf eine Ära vorbereitet, in der Verluste aus rechtlich fragwürdigen Spielverhältnissen möglicherweise rückabgewickelt werden müssen. Betroffene sollten daher dringend eine rechtliche Prüfung in Betracht ziehen – die Aussichten stehen momentan so gut wie nie zuvor.