Mercedes Dieselskandal: OM642 Motor im GLE 350d 4MATIC mit illegalen Abschalteinrichtungen ausgestattet
Die Daimler AG hat vor dem Landgericht Stuttgart eine weitere herbe Niederlage im Dieselskandal rund um ihre Kernmarke Mercedes-Benz erlitten. Das Unternehmen wurde gegen Schadensersatz zur Rücknahme eines Mercedes-Benz GLE 350d 4MATIC ist mit dem Dieselmotor OM642 (Abgasnorm Euro 6) verurteilt. Der Einsatz der Abschalteinrichtung sei die Regel statt die Ausnahme, stellt das Gericht heraus.
Für die Daimler AG wird die Luft im Dieselskandal immer enger. Das Landgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 16. Oktober 2020 (Az.: 29 O 446/19) den Autohersteller dazu verurteilt, einen Mercedes-Benz GLE 350d 4MATIC zurückzunehmen, an die Klägerin 28.787,36 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit 11. Mai 2019 zu zahlen und die vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.348,27 Euro zu zahlen. Zudem trägt die Daimler AG die Kosten des Verfahrens zur Hälfte. Der geschädigte Verbraucher hatte den Oberklasse-SUV am 24. März 2018 gebraucht zum Preis von knapp 70.000 Euro erworben (Kilometerstand: 42.766) und mit einer Anzahlung von 20.000 Euro finanziert. Die monatlich zu zahlenden Raten betrugen seit April 2018 444,09 Euro, die Schlussrate 38.248,65 Euro.
Der Mercedes-Benz GLE 350d 4MATIC ist mit dem Dieselmotor OM642 (Abgasnorm Euro 6) ausgestattet, mit sechs Zylindern in V-Anordnung, Common-Rail-Direkteinspritzung und Abgasturbolader, entwickelt und produziert von Daimler zum Einsatz vorrangig in den Mercedes-Benz-Fahrzeugen.
„Diese Motoren wurden in mehreren Leistungsstufen in Pkw aller Serien, SUV, Kleintransportern von Mercedes seit März 2005 eingebaut. Das Gericht hat entschieden, dass wegen vorsätzlicher, sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB ein Schaden entstanden ist, weil der Käufer einen Vertrag über den Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs abgeschlossen hat, das formal über eine offizielle Typengenehmigung verfügte, aber zugleich mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet war, sodass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Typengenehmigung nicht vorlagen“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.
Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde.
Laut dem Vortrag des geschädigten Verbrauchers werde die Abgasrückführung lufttemperaturabhängig erheblich reduziert beziehungsweise sogar vollständig abgeschaltet. Ebenso erkenne eine Software, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befinde. Auf diese Weise werde durch Zugabe einer Harnstofflösung sichergestellt, dass die Abgasreinigung – im Gegensatz zum Realbetrieb – optimal erfolge, während außerhalb des Prüfstandes die Zugabe der Harnstofflösung reduziert werde. Darüber hinaus sei in dem Fahrzeug Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung installiert, durch die auf dem Prüfstand das zurückgeführte Abgas künstlich gekühlt werde. Dadurch entstünden im Verbrennungsprozess weniger Stickoxide. Im Realbetrieb auf der Straße bleibe dies ausgeschaltet.
„Das Gericht hat ausdrücklich bestätigt, dass durch das Vorliegen der illegalen Abschalteinrichtungen in dem Mercedes-Benz GLE 350d 4MATIC mit dem Dieselmotor OM642 die Gefahr eines Widerrufs der Zulassung drohe. Das sei mit der Stilllegung des Fahrzeugs und einem massiven Wertverlust verbunden. Zumal betont das Gericht, dass die Daimler AG nicht ausreichend dargestellt habe, dass der Einsatz der Abschalteinrichtungen lediglich eine gänzlich untergeordnete Rolle gespielt habe und demzufolge die absolute Ausnahme sei. Vielmehr spreche der Vortrag der Daimler AG dafür, dass die Abgasrückführung im Normalbetrieb häufig reduziert wurde und somit der Einsatz der Abschalteinrichtung die Regel statt die Ausnahme sei“, betont Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung. Geschädigte Verbraucher sollten daher auf ihrem Recht nach § 826 BGB beharren und Betrugshaftungsklagen gegen die Daimler AG als Herstellerin der Mercedes-Benz-Fahrzeuge durchsetzen.
Viele Mercedes-Benz-Diesel sind mit illegalen Abschalteinrichtungen ausgestattet. Besonders betroffen sind neben dem OM642 die Motoren des Typs OM651, OM622, OM626, OM654 und OM656. Zuletzt wurde auch öffentlich, dass das Mercedes-Benz-Flaggschiff S-Klasse auch vom Dieselskandal betroffen ist. Das Kraftfahrt-Bundesamt hat in dem Premium-Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung entdeckt und einen überwachten Rückruf angeordnet. Davon betroffen sind die Modelle S 350 BlueTEC, S 350 d, S 350 BlueTEC 4MATIC und S 350 d 4MATIC. In diesen Fahrzeugen ist der Dieselmotor OM642 verbaut. Dieser wird seit März 2005 in verschiedenen Leistungsstufen hergestellt und in zahlreichen Mercedes-Baureihen eingesetzt, von vielen Modellen der C- und E-Klasse über die SUV-Modelle G, GL, GLK und ML bis hin zur R-und S-Klasse sowie dem Sprinter und dem Viano im Transportersegment.