Mercedes-Abgasskandal: Wieder drei obsiegende Urteile zum Vierzylinder-Dieselmotor des Typs OM651 beim Landgericht Stuttgart
Das Landgericht Stuttgart hat die Daimler AG dreimal wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB beim Dieselmotor OM651 mit Euro 5- und Euro 6-Abgasnorm verurteilt. Streitgegenständlich ist jeweils eine illegale Abschalteinrichtung in Form der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung.
Mit mehreren verbraucherfreundlichen Urteilen hat sich das Landgericht Stuttgart wieder einmal als Schreck der Daimler AG im Dieselskandal hervorgetan. In kurzem Abstand ist die Daimler AG für die Manipulationen am Dieselmotor OM651 dreimal wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt worden.
Mit Urteil vom 28. Januar 2021 (Az.: 12 0 193/20) muss die Daimler AG an einen geschädigten Verbraucher 19.108,51 Euro nebst Zinsen von fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit 30. Juni 2020 für einen Mercedes-Benz GLK 220 CDI 4MATIC (Erstzulassung am 3. Dezember 2013 mit einem Kilometerstand von 52.900 Kilometern) mit dem Motor OM651 und der Schadstoffklasse Euro 5 zu zahlen und die Klägerin von den durch die Beauftragung ihrer Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Kosten von 1242,84 Euro freizustellen. Ebenso muss die Daimler AG 78 Prozent der Kosten des Rechtsstreits tragen.
Der Mercedes-Benz GLK 220 CDI 4MATIC ist bereits von einem amtlichen Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) erfasst. Das KBA ist dabei der Auffassung, das geregelte Kühlmittelthermostat komme während des Motorwarmlaufs sicher im Prüfzyklus zur Anwendung, außerhalb der Randbedingungen des Prüfbedingungen des Prüfzyklus sei das aber bei normalen Bedingungen oft nicht der Fall. Weil sich mittels der Sollwertabsenkung der Motorwarmlauf verzögere, werde „indirekt“ Einfluss auf die Abgasrückführungs-Raten und damit auf die Stickoxid-Emissionen genommen, weil erstere für den betriebswarmen Motor korrigiert (reduziert) würden. „Daraus resultiert letztlich der Schadensersatzanspruch aufgrund vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB wegen des Einbaus einer unzulässigen Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung im Abgasreinigungssystem. Dadurch wird bekanntlich die Abgasreinigung im Prüfbetrieb heruntergeregelt, um während des Prüfzyklus die Grenzwerte einzuhalten. Im Gegensatz dazu kann das streitgegenständliche Fahrzeug im Realbetrieb die Stickoxidemissionen gerade nicht einhalten“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.
Ebenfalls um einen Mercedes-Benz GLK 220 CDI mit dem Dieselmotor OM651 und der Abgasnorm Euro 5 ging es im Urteil vom 29. Januar 2021 (Az.: 26 O 263/20). Dadurch erhält der geschädigte Verbraucher 27.277,88 Euro Schadenersatz nebst Zinsen hieraus in Höhe von vier Prozent vom 3. August bis 20. August 2020 sowie in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit 21. August 2020. Die Beklagte wurde zudem verurteilt, den Kläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1629,49 Euro freizustellen und von den Kosten des Rechtsstreits 74 Prozent zu tragen. Der Kläger erwarb das streitgegenständliche Fahrzeug im Oktober 2013 mit einer Laufleistung von 17.893 Kilometer zum Preis von 43.180 Euro. Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung betrug der Kilometerstand 121.868 Kilometer.
Dieselanwalt Dr. Gerrit W. Hartung gibt die Gründe für das Urteil wieder: „Der Kläger hat substantiiert dazu vorgetragen, im streitgegenständlichen Fahrzeug sei eine Kühlmittel-Temperatur-Regelung implementiert, die ausschließlich unter den Bedingungen des Neuen Europäischen Fahrzyklus aktiviert sei und dort bewirke, dass der Kühlmittelkreislauf des Motors künstlich kälter gehalten werde, wodurch sich das Aufwärmen des Motoröls verzögere und weniger NOx ausgestoßen werde. Die Implementierung einer Kühlmittel-Temperatur-Regelung im streitgegenständlichen Modell ist vorliegend letztlich auch ebenso unstreitig wie deren Beanstandung durch das Kraftfahrtbundesamt.“ Dazu kommt: Die Daimler AG hat ihrer sekundären Darlegungslast zu der Frage, ob die unstreitig im Fahrzeug des Klägers implementierte Kühlmittel-Temperatur-Regelung im Sinne einer Umschaltlogik (Erkennung der Prüfstandsbedingungen und ausschließliche Aktivierung unter den Bedingungen des Rollenprüfstands) ausgestaltet ist, nicht genügt. Im Rahmen der sekundären Darlegungslast muss der Autohersteller sich von den Vorwürfen aktiv und mit weitreichenden Erklärungen zur Funktionsweise der Technologien entlasten.
Beim Urteil vom 19. Februar 2021 (Az.: 29 O 302/20) ging es um einen Mercedes Benz GLC 250 d 4MATIC (OM651, Euro 6), erworben am 3. Juli 2018 zu einem Kaufpreis von 39.570 Euro und einer Laufleistung von 74.100 Kilometern. Zum Schluss der mündlichen Verhandlung betrug die Laufleistung 101.926 Kilometern. Der GLC 250 d 4MATIC verfügt über eine Kühlmittel-Temperatur-Regelung, durch die das Abgas bei dessen Rückführung in den Motor gekühlt wird. Auch wird bei diesem Fahrzeug außerhalb der Bedingungen des Neuen Europäischen Fahrzyklus die Abgasrückführung in unterschiedlichem Umfang reduziert. Diese Reduzierung führen für sich betrachtet zu einer Verringerung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems und stellen daher eine unzulässige Abschalteinrichtung dar, urteilt das Gericht.
Ebenso nimmt das Gericht die Daimler AG hinsichtlich der sekundären Darlegungslast nochmals in die Pflicht. Der Vortrag der Beklagten, durch die Reduzierung der Abgasrückführung sei nicht zwingend die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems verändert worden, da dies von weiteren Faktoren abhängig gewesen sei, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Vortrag ist insoweit zu pauschal. Die Beklagte hätte detailliert vortragen müssen, unter welchen Bedingungen es in welchem Umfang zu einer Reduzierung der Abgasrückführung kam und wie diese jeweils zur Vermeidung einer Veränderung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems durch andere technische Maßnahmen kompensiert wurde.
Anwalt Dr. Gerrit W. Hartung sagt: „Geschädigte Verbraucher haben also weitreichende Chancen, von der Daimler AG wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung im Wege der Betrugshaftungsklage Schadensersatz zu erhalten und das Skandalfahrzeug abzugeben.“