Mercedes-Abgasskandal: Thermofenster bei Mercedes-Benz C 220 CDI wieder im Fokus – Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung
Die Daimler AG hat vor dem Landgericht Freiburg um Breisgau eine weitere herbe Niederlage im Dieselabgasskandal rund um ihre Kernmarke Mercedes-Benz erlitten. Das Unternehmen wurde im Wege der Schadensersatzklage zur Rücknahme eines Mercedes-Benz C 220 mit dem Dieselmotor OM651 verurteilt.
Das Landgericht Freiburg im Breisgau (Urteil vom 11.12.2020, Az.: 14 O 108/20) hat die Daimler AG wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB zu Schadensersatz verurteilt. Die Daimler AG muss für einen Mercedes-Benz C 220 CDI (OM651) an den geschädigten Verbraucher 21.662,64 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2020 zahlen, die Klägerpartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1171,67 Euro freistellen und 75 Prozent von den Kosten des Rechtsstreits tragen. In dem Urteil heißt es: Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu leisten für Schäden, die aus der Installation derjenigen Software in der Motorsteuerung des in dem Fahrzeug verbauten Motors resultieren, bei denen es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 VO 715/2007/EG handelt. Die Verordnung bezieht sich auf die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge.
Bei der unzulässigen Abschalteinrichtung handelt es sich um das sogenannte Thermofenster. „Damit ist ein Temperatur-Korridor gemeint, in dessen Rahmen die Abgasverarbeitung funktioniert. Unter und über bestimmten Temperaturen wird die Abgasbehandlung mit dem Argument des Bauteilschutzes vor Überhitzung rigoros abgeschaltet, sodass die tatsächlichen Ausstöße weit über dem der offiziellen Testphasen liegen“, erklärt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde.
Das Gericht kritisiert auch den Verteidigungsvortrag der Daimler AG: Der Vortrag der Beklagten, wonach neuere Software-Stände auf ältere Fahrzeuge aufgespielt würden, um deren Stickoxid-Emissionsverhalten um 25 bis 30 Prozent zu reduzieren und das angebotene Software-Update im Wesentlichen Erkenntnisse aus der Entwicklung neuerer Motoren reflektiere, die nun auch auf ältere Fahrzeuge übertragen würden, sei im Hinblick auf Anlass und Gegenstand der mit dem Schreiben vom Kraftfahrtbundesamt vom Juni 2019 gegenüber dem Kläger angekündigten„Service-Maßnahme“ in Bezug auf das Klägerfahrzeug inhaltlich nichtssagend. Soweit sich die Beklagte auf die mit der Darstellung der Einzelheiten der vom Software-Update betroffenen Motorkalibrierung auf den Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse berufe, verfange dies nicht.
Apropos Europarecht: Ein Hersteller darf keine Abschalteinrichtung einbauen, die bei Zulassungsverfahren systematisch die Leistung des Systems zur Kontrolle der Emissionen von Fahrzeugen verbessert, um ihre Zulassung zu erreichen, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 17. Dezember 2020 entschieden. Die Tatsache, dass eine solche Abschalteinrichtung dazu beitrage, den Verschleiß oder die Verschmutzung des Motors zu verhindern, könne ihr Vorhandensein nicht rechtfertigen.
Viele Mercedes-Benz-Diesel sind mit illegalen Abschalteinrichtungen ausgestattet. „Besonders betroffen sind die Motoren des Typs OM651, OM622, OM626, OM654, OM642 und OM656. Geschädigte Verbraucher haben also weitreichende Chancen, von der Daimler AG wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung im Wege der Betrugshaftungsklage Schadensersatz zu erhalten und das Skandalfahrzeug abzugeben. Das bestätigen eben immer mehr verbraucherfreundliche Urteile und eben zuletzt auch das Urteil des EuGH“, stellt Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung heraus.