Mercedes Abgasskandal: Fahrlässigkeit reicht für Mercedes-Benz-Schadensersatz aus!
Die Daimler AG hat vor dem Landgericht Stuttgart eine weitere herbe Niederlage im Dieselskandal rund um ihre Kernmarke Mercedes-Benz erlitten. Das Gericht stellte im Verfahren um ein Mercedes-Benz C 220 CDI T-Modell (Motorentyp OM651, Abgasnorm Euro 5) heraus, dass das Verhalten der Beklagten fahrlässig war. Es muss also nicht immer die Verurteilung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung im Dieselabgasskandal sein, was einen juristischen Paukenschlag darstellt.
Das Landgericht Stuttgart entwickelt sich zum Angstgegner für die Daimler AG. Sehr regelmäßig ergehen vor dem Gericht verbraucherfreundliche Urteile gegen die Daimler AG im Mercedes-Abgasskandal. Jetzt ist das nächste Urteil im Falle eines streitgegenständlichen Mercedes-Benz C 220 CDI T-Modells (Motorentyp OM651, Abgasnorm Euro 5) gefallen: Die Daimler AG muss dem geschädigten Verbraucher 5208,70 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. November 2019 zahlen, den Kläger von durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 571,44 Euro freizustellen und 66 Prozent der Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der geschädigte Verbraucher hatte das Fahrzeug zwischenzeitlich bereits verkauft. Dieser Veräußerungsgewinn sowie eine Nutzungsentschädigung für gefahrene Kilometer wurden vom Landgericht von der Schadensersatzsumme abgezogen (Urteil vom 12.11.2020, Az.: 20 O 411/19).
„Im Kern beruft sich die Daimler AG im ihrer Verteidigung darauf, dass das Gericht mit der Einhaltung der Grenzwerte für Stickoxidemissionen im Straßenverkehr etwas Unmögliches verlange. Zudem reklamiert die Daimler AG nicht, dass das Fahrzeug unter allen Umständen die Grenzwerte im normalen Fahrbetrieb einhalte, sondern bestreitet nur, dass das Fahrzeug ‚unter keinen Umständen‘ die Grenzwerte im normalen Fahrbetrieb einhalte“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.
Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde.
Diese Verteidigung der Daimler AG reichte dem Gericht nicht aus. Denn nach Einschätzung der im Anhang der Verordnung Nr. 715/2007 der EU über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) dürfte die rechtlich genehmigten Grenzwerte auch im realen Fahrbetrieb unter normalen Betriebsbedingungen einzuhalten sein dürften. Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung betont: „Das Gericht hatte dies nicht dahingehend eingeschränkt, dass die Grenzwerte unter normalen Betriebsbedingungen nur unter bestimmten Umständen einzuhalten wären. Kurz gesagt: Das Nichteinhalten der genannten Vorgaben der Verordnung begründete die konkrete Gefahr, dass jederzeit die Zulassung widerrufen werden konnte, weil das Fahrzeug tatsächlich die Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllte.“ In der Folge drohten dem Kläger damit in Bezug auf sein Fahrzeug Nutzungsbeschränkungen und ein Wertverlust. Der Kläger hat diesen Schaden aufgrund eines Verhaltens der Beklagten erlitten. Denn ein Fahrzeug, das im öffentlichen Straßenraum nicht fahren darf, ist seines Hauptzwecks beraubt, und jeder Erwerber verknüpft unabhängig von der Person des Verkäufers mit dem Fahrzeug die Erwartung, dass er das Fahrzeug dauerhaft und ohne Gefahr der Stilllegung aufgrund eines Erlöschens der allgemeinen Betriebserlaubnis nutzen kann. Diese selbstverständliche Erwartung prägt den Wert des Fahrzeugs und stellt ein wesentliches Kriterium für die Anschaffungsentscheidung dar.
Das Besondere und auch Neue an dem Urteil ist laut Anwalt Dr. Gerrit W. Hartung: „Das Gericht hat deutlich herausgestellt, dass das Verhalten der Beklagten fahrlässig war und daher die Verurteilung nach § 823 BGB erfolgt. Wer unter anderem fahrlässig das Eigentum eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Das bedeutet, dass gar keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung vorliegen muss, um Schadensersatz im Dieselskandal zu erhalten. In Kombination mit dem Sachverhalt, dass Schadensersatz auch für bereits verkaufte Fahrzeuge geltend gemacht werden kann, ist dies eine interessante Perspektive für geschädigte Verbraucher. Der Dieselabgasskandal eröffnet also immer wieder neue Möglichkeiten.“