Mercedes-Abgasskandal: Auch Mercedes-Benz Vito rückt in den Fokus der Abgasmanipulationen
Das Landgericht Stuttgart hat seine Rolle als Schrecken der Daimler AG einmal mehr bestätigt und das Unternehmen wieder wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB verurteilt. Der Mercedes-Benz Vito 113 (Euro 5) mit dem Skandal-Dieselmotor des Typs OM651 ist mit einer unzulässigen Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung ausgestattet.
Die Urteile gegen die Daimler AG vor dem Landgericht Stuttgart im Dieselabgasskandal nehmen kein Ende. Jetzt wurde die Daimler AG verurteilt (Urteil vom 11.11.2020, Az.: 16 O 325/20), einen Mercedes-Benz Vito 113 (Motorentyp OM651, Abgasnorm Euro 5) zurückzunehmen. Der Autobauer muss dem geschädigten Verbraucher 3.827,01 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. August 2020 zahlen, den Kläger von durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 729,23 Euro freizustellen und 83 Prozent der Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Kläger hatte das Fahrzeug mit einer Laufleistung von 160.000 Kilometern bereits im Juli für 5.000 Euro veräußert.
„Die Begründung des Gerichts folgt der bekannten Argumentation. Das Fahrzeug mit dem Schummeldieselmotor des Typs OM651 ist mit einer unzulässigen Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung ausgestattet. Daraus resultiert die Verurteilung der Daimler AG wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB. Einmal mehr sehen wir, dass die deutschen Gerichte im Dieselabgasskandal nicht zu Späßen aufgelegt sind und auf der Seite der geschädigten Verbraucher stehen“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.
Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde.
Noch einmal zur Erklärung: Die Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung stellt eine unzulässige Abschalteinrichtung dar, die erkennt, wenn sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet. Trifft dies zu, führt diese Regelung dazu, dass der gesamte Kühlkreislauf möglichst lange kühl gehalten wird. Anders gesagt: So sorgt die Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung dafür, dass auf dem Prüfstand weniger Stickoxide ausgestoßen werden. Wegen der Kühlmittel-Soll-Temperaturregelung unterliegen bereits viele Fahrzeuge der Daimler AG offiziellen Rückrufen des Kraftfahrt-Bundesamts. „Abschalteinrichtungen wie Thermofenster bei der Abgasreinigung in Dieselfahrzeugen oder eben auch Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelungen sind grundsätzlich unzulässig. Das hat die EU-Generalanwältin Eleanor Sharpston bereits im Frühling klargemacht. Entscheidend ist die Aussage, dass auch temperaturabhängige Abgaskontrollsysteme unzulässige Abschalteinrichtungen darstellen“, sagt Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.
Durch die Verwendung der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung sei das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet, sodass die Voraussetzung für die Erteilung der EU-Typgenehmigung nicht vorgelegen hätten. Das Inverkehrbringen eines solchen Fahrzeugs stelle eine Täuschung dar, die beim Verbraucher einer Schaden verursacht habe.
Rechtsanwalt Dr. Hartung betont auch, dass sich das Landgericht Stuttgart dezidiert auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs beziehe, dass er gemeinsam mit einem kooperierenden BGH-Anwalt erstritten hat. Die daraus resultierende Anforderung ist laut Dr. Hartung klar: „Danach können Schadensersatzansprüche im Abgasskandal gegen die Daimler AG von einem Gericht nicht einfach als Behauptungen „ins Blaue hinein“ abgewiesen werden. Im umgekehrten Falle könne auch die Daimler AG nicht einfach das Vorliegen ohne jede weitere Erklärung bestreiten. Die Daimler AG trifft damit die sekundäre Darlegungslast. In diesem Rahmen muss der Autohersteller sich von den Vorwürfen aktiv und mit weitreichenden Erklärungen zur Funktionsweise der Technologien entlasten. Dem hat das Unternehmen nicht entsprochen.“
Viele Mercedes-Benz-Diesel sind mit illegalen Abschalteinrichtungen ausgestattet. „Besonders betroffen sind die Motoren des Typs OM651, OM622, OM626, OM654, OM642 und OM656. Geschädigte Verbraucher haben also weitreichende Chancen, von der Daimler AG wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung im Wege der Betrugshaftungsklage Schadensersatz zu erhalten und das Skandalfahrzeug abzugeben“, stellt der bekannte Dieselanwalt aus Mönchengladbach heraus.