LG Stuttgart folgt im Mercedes-Benz Abgasskandal dem EuGH-Urteil
Die Mercedes-Benz Group AG wurde wegen der Abgasmanipulationen an einem ML 350 BLUETEC 4MATIC zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt.
Der Dieselabgasskandal ist noch nicht vorbei. Das hat das Landgericht Stuttgart einmal mehr bewiesen. Mit Urteil vom 29. März 2023 (Az.: 8 O 24/23) hat das Landgericht die Mercedes-Benz Group AG dazu verurteilt, an die Klägerin 17.361,05 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. Januar 2023 zu zahlen. Überdies muss die Beklagte die Klägerin von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe 1.214,99 Euro freistellen und 75 Prozent der Kosten des Rechtsstreits tragen.
Die Klägerin erwarb am 7. November 2014 einen Mercedes-Benz-Pkw des Typs ML 350 BLUETEC 4MATIC zu einem Kaufpreis von 52.999,99 Euro. Der Kilometerstand des Fahrzeugs betrug zum Zeitpunkt der Übergabe 26.549 Kilometer. Der Kaufpreis wurde abzüglich einer Anzahlung in Höhe von 15.000 Euro seitens der nicht am Rechtsstreit beteiligten Mercedes-Benz Bank AG finanziert. Hierdurch entstanden der Klägerin Finanzierungskosten in Höhe von 1.672,24 Euro. Das Darlehen wurde zwischenzeitlich abgelöst. Am 15. Oktober 2020 veräußerte die Klägerin das streitgegenständliche Fahrzeug zu einem Preis von 14.000,01 Euro an einen Dritten. Zum Zeitpunkt der Weiterveräußerung belief sich der Kilometerstand des Fahrzeugs auf 117.780 Kilometer.
„Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor mit der Schadstoffnorm Euro 6 ausgestattet, der von der Beklagten entwickelt und hergestellt wurde. Das Fahrzeug hält die Emissionsgrenzwerte auf dem Prüfstand unter Laborbedingungen im sogenannten Neuen Europäischen Fahrzyklus NEFZ ein. Unter Bedingungen des realen Straßenbetriebs, beispielsweise bei Temperaturen unter 20 Grad Celsius, überschreitet der Motor jedoch diesen Grenzwert. Zudem wird das von der Beklagten entwickelte Emissionskontrollsystem temperaturbedingt reguliert. Im Einzelnen erfolgt die Emissionskontrolle bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug dergestalt, dass ein Teil des Abgases zur erneuten Verbrennung in den Motor zurückgeführt wird, also über das System der Abgasrückführung. Auf diese Weise werden die Sauerstoffkonzentration der Zylinderladung und die Verbrennungstemperatur gesenkt, um den Stickoxidausstoßes zu reduzieren. Die Rate der Abgasrückführung wird temperaturabhängig gesteuert, was bei niedrigen Temperaturen zu einem erhöhten Stickoxidausstoß führt“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.
Für das Landgericht Stuttgart bedeutet das: Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB auf Erstattung des für den Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs verauslagten Kaufpreises zuzüglich Finanzierungskosten abzüglich Vorteilsausgleich für die Nutzung sowie abzüglich des Wertes des seitens des Klägers veräußerten Fahrzeugs zu. Das streitgegenständliche Fahrzeug habe zum Zeitpunkt seines Inverkehrbringens nicht den Vorgaben der einschlägigen europäischen Verordnung entsprochen, sodass die Voraussetzungen für die Erteilung einer EG-Typgenehmigung nicht vorgelegen hätten. Das Inverkehrbringen eines solchen Fahrzeugs stell eine konkludente Täuschung dar. „Durch dieses Verhalten ist bei der Klagepartei kausal ein Schaden verursacht worden, der im Abschluss des Kaufvertrags über das streitgegenständliche Fahrzeug zu sehen ist. Das Verhalten der Beklagten ist als sittenwidrig zu beurteilen.“
„Das Landgericht Stuttgart hat also auch nach dem EuGH-Urteil vom 21. März 2023 an seiner Linie festgehalten, Mercedes-Benz im Abgasskandal zugunsten der geschädigten Dieselkäufer auf Rückabwicklung zu verurteilen“, so Dieselexperte Dr. Gerrit W. Hartung.