Kein Dieselgate 3.0 durch neue Regeln der EU?
Die Europäische Union hat als Reaktion auf den Diesel-Abgasskandal strikte Vorschriften für Unabhängigkeit und mehr Qualität bei der Prüfung eingeführt, bevor ein Fahrzeug in den Verkehr gebracht wird. Die EU-Kommission kann auch EU-weite Rückrufe anordnen und Sanktionen in Höhe von bis zu 30.000 Euro pro Fahrzeug verhängen. Dieselgate 1.0, Dieselgate 2.0 und auch Benzingate 1.0 betreffend die Audi-Benzinmotoren sind aber weiterhin in vollem Gange und entwickeln sich fast täglich weiter.
Die Automobilindustrie, vor allem die Volkswagen AG, ist mittlerweile mitten im Dieselgate 2.0 mit dem Motorentyp EA 288 angekommen. Und das, obwohl Dieselgate 1.0 um den VW-Motorentyp EA 189 noch lange nicht beendet ist. Um Dieselgate 3.0 zu verhindern, soll auch in Europa die Einhaltung der Abgas-Vorschriften verschärft kontrolliert werden. In den USA ist dies bereits gängige Praxis. Daher führt die Europäische Union (EU) strengere Regeln für die Zulassung von Neuwagen ein. Zusätzlich werden auch bereits zugelassene Modelle genauer unter die Lupe genommen.
Was bedeutet das genau? Im September 2020 sind neue Vorschriften in Kraft getreten, nach denen neue Fahrzeugtypen in der EU genehmigt werden müssen. Diese werden nun nach und nach umgesetzt. „Die neuen Regeln sorgen für Unabhängigkeit und mehr Qualität bei der Prüfung, bevor ein Fahrzeug in den Verkehr gebracht wird. Sie verbessern die Kontrolle von Fahrzeugen, die bereits auf dem Markt sind, und stärken das System durch eine europäische Aufsicht. Die EU-Kommission kann damit EU-weite Rückrufe anordnen und Sanktionen in Höhe von bis zu 30.000 Euro pro Fahrzeug verhängen. Die Kommission hatte die Verordnung im Zuge des Dieselgate-Skandals vorgeschlagen, bei dem Autohersteller durch Manipulationen gesetzlich vorgegebene Grenzwerte für Autoabgase umgangen hatten“, heißt es bei der EU.
„Grundsätzlich werden durch die neue Überwachungstechnologie OBFCM (On Board Fuel Consumption Monitoring) und stichprobenartige Tests Abgas- und Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt. In allen Neuwagen werden bei jeder Fahrt der Verbrauch, Kilometerstand und Geschwindigkeit gespeichert und 2021 direkt vom Fahrzeug an die EU-Kommission übermittelt“, erläutert der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde.
Im Kern geht es bei den EU-Regelungen um die Unabhängigkeit und Qualität der Prüfungen vor dem Inverkehrbringen eines Fahrzeugs, Kontrollen bereits auf dem Markt befindlicher Fahrzeuge (und die Einführung von Schutzmaßnahmen gegen nicht konforme Fahrzeuge) und die europäische Aufsicht durch Einhaltungs- und Konformitätsprüfungen in Laboratorien oder auf der Straße. Die Erklärung der Kommission: „Im Prozess der Typgenehmigung bescheinigt die Prüfstelle, dass ein Fahrzeug alle Anforderungen erfüllt. Insbesondere, ob die Hersteller das EU-Recht, einschließlich der Emissionsgrenzwerte, die in separaten Vorschriften festgelegt sind, kontinuierlich einhalten.“
Thierry Breton, Kommissar für den Binnenmarkt, führte dazu aus: „Die Europäerinnen und Europäer erwarten zu Recht, dass sie die saubersten und sichersten Fahrzeuge fahren können. Dies setzt strengste Kontrollen an Fahrzeugen voraus, die in Verkehr gebracht werden und auf unseren Straßen fahren. Es erfordert auch eine echte Durchsetzung und Überwachung auf europäischer Ebene.“ Und weiter: „Diese Reformen ergänzen unsere Bemühungen um sauberere und sicherere Mobilität, die vor dem Hintergrund der Krise noch stärker zukunftsorientierte Investitionen in Infrastruktur und Innovation erfordern. Unsere Bemühungen, das Vertrauen der Verbraucher wiederherzustellen, den Binnenmarkt zu stärken und die langfristige Lebensfähigkeit und globale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie zu unterstützen, gehen Hand in Hand.“
Das Anziehen der Daumenschrauben folge auch nationalen Versäumnissen. Tatsächlich habe die Abgas-Untersuchungskommission des Deutschen Bundestages 2017 laut einem Medienbericht Hinweise auf ein Kontrollversagen der Bundesregierung und des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) geliefert, betont Dr. Gerrit W. Hartung. So hätten KBA-Mitarbeiter ausgesagt, dass man zum damaligen Zeitpunkt wohl auch gar nicht die technischen Möglichkeiten gehabt habe, eine Überprüfung illegaler Abgas-Abschalteinrichtungen vorzunehmen.
Rechtsanwalt Dr. Hartung weiß auch: „Dieselgate 1.0, Dieselgate 2.0 und auch Benzingate 1.0 sind in vollem Gange und entwickeln sich fast täglich weiter. Es sind allein in Deutschland zig Millionen Fahrzeuge unterwegs, die durch illegale Abschalteinrichtungen die Abgaswerte manipulieren und damit nicht nur der Umwelt schwere Schäden zufügen, sondern auch den Eigentümern massive wirtschaftliche Nachteile bringen. Ihre Fahrzeuge sind viel weniger wert, und es bestehen Risiken, dass die Fahrzeuge stillgelegt werden.“
Er plädiert daher dafür, dass geschädigte Käufer von Euro 5- und Euro 6-Dieseln und bestimmter Benziner – derzeit stehen vor allem VW, Audi und Porsche sowie Daimler mit Mercedes-Fahrzeugen im Feuer – den Weg der Betrugshaftungsklage nach § 826 BGB forcieren und gerichtlich Schadensersatz für die erlittenen wirtschaftlichen Nachteile erhalten.