Ist die BMW AG jetzt auch immer stärker vom Dieselskandal betroffen?
Ein geschädigter Verbraucher hat für den Einsatz unzulässiger Abschalteinrichtungen in seinem BMW 520d mit dem 4-Zylinder-Dieselmotor B47 und der Abgasnorm Euro 6 Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB erhalten.
Beginnt jetzt die Götterdämmerung für BMW? Der deutsche Premiumhersteller ist bislang ziemlich ungeschoren durch den Dieselskandal gekommen. Zuletzt aber sind vermehrt auch Urteile gegen die BMW AG im Dieselabgasskandal ergangen. Jetzt hat das Landgericht Augsburg (Urteil vom 03.08.2021, Az.: 031 O 2409/20) die BMW AG dazu verurteilt, an einen geschädigten Verbraucher Schadenersatz in Höhe von 20.827,27 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit 5. August 2020 zu zahlen und 74 Prozent der Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Zudem muss die BMW AG den Kläger von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.171,67 Euro freistellen.
Der Kläger erwarb am 23. August 2016 einen gebrauchten Pkw BMW 520d mit einem Kilometerstand von 24.695 Kilometern zu einem Preis von 33.850 Euro. Der Kläger finanzierte das Fahrzeug und bediente das Darlehen. Das Fahrzeug wies am 1. Juli 2021 einen Kilometerstand von 130.610 Kilometern auf. Das streitgegenständliche Fahrzeug ist mit dem Dieselmotor B47 ausgerüstet, unterliegt der Abgasnorm Euro 6 und verfügt über ein SCR-System in Kombination mit einem NOx-Speicherkatalysator. Im streitgegenständlichen Fahrzeug ist eine parameterabhängige Steuerung der Abgasrückführung verbaut. Bei Dieselfahrzeugen werden bekanntlich die Abgase gereinigt, indem sie nach der Verbrennung in dem Motor zurückgeführt werden. Dort werden sie erneut verbrannt. Auf diese Weise stößt das Auto weniger schädliche Abgase aus.
„Der bekannte Begriff für die parameterabhängige Steuerung der Abgasrückführung ist das Thermofenster. Damit ist ein Temperatur-Korridor gemeint, in dessen Rahmen die Abgasverarbeitung funktioniert. Unter und über bestimmten Temperaturen wird die Abgasbehandlung mit dem Argument des Bauteilschutzes vor Überhitzung rigoros abgeschaltet, sodass die tatsächlichen Ausstöße weit über dem der offiziellen Testphasen liegen“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung. Seine Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde und hat den Hinweisbeschluss vor dem Landgericht Münster erwirkt.
Der Kläger hatte vorgetragen, in seinem Fahrzeug seien mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut, die dazu dienten, den Schadstoffausstoß unter Testbedingungen (Prüfstand) so zu optimieren, dass dort die Grenzwerte eingehalten würden, während unter normalen Umständen (Realbetrieb) erheblich mehr Schadstoffe (Stickoixde) emittiert würden. Die Vorstände der Beklagte hätten davon Kenntnis gehabt und das befürwortet. Bei der Beantragung der Typgenehmigung beim Kraftfahrtbundesamt habe die Beklagte die Abschalteinrichtungen nicht angegeben. Der Kläger behauptet insbesondere, die Beklagte verwende eine Funktion „Kaltaufheizen“, das von den Bedingungen her bei jedem Prüfzyklus (NEFZ) sicherstelle, dass ein Teil des Kraftstoffes erst im Abgasstrang verbrannt werde, um diesen sehr schnell auf Temperatur zu bekommen und damit den NOx-Ausstoß zu senken; im normalen Fahrbetrieb komme es eher selten zur Aktivierung dieser Funktion, da diese zu einem höheren Verschleiß aufgrund häufigeren Wartungsintervallen führe, heißt es im Urteil.
„Die BMW AG wollte sich schlicht mit der Begründung aus dem Verfahren herausreden, die Klage sei unsubstantiiert und daher ohne Beweisaufnahme abzuweisen. Das hat bei Gericht nicht verfangen. Das war aber für ein wirksames Bestreiten nicht ausreichend, eine substantiierte Erwiderung auf klägerischen Behauptungen sei nicht erfolgt. Dem Kläger ist durch das sittenwidrige Verhalten der Beklagten ein Schaden entstanden, da er einen Kaufvertrag geschlossen hat, den er ansonsten nicht geschlossen hätte. Damit ist die BMW AG wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB verurteilt worden.“