Hochpreisige Wohn- und Reisemobile weiterhin vom Dieselskandal betroffen
Vor dem Landgericht Heilbronn ist das zweite Versäumnisurteil innerhalb kurzer Zeit gegen den Wohn- und Reisemobilhersteller Stellantis N.V. ergangen. Derzeit laufen mehrere großvolumige Klagen gegen die Stellantis N.V. bei verschiedenen deutschen Gerichten.
Im Dieselabgasskandal bei hochpreisigen Wohn- und Reisemobilen verschärft sich die Lage für die Hersteller. Denn immer mehr Gerichte verurteilen die Hersteller zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB. Neuestes Beispiel: Das Landgericht Heilbronn verpflichtete Stellantis zur Zahlung von Schadensersatz (Versäumnisurteil vom 21.09.2021, Az.: 11 O 13/21). Die Automobilholding Stellantis N.V. ist im Januar 2021 aus der Fusion der Automobilkonzerne Groupe PSA (PSA) und Fiat Chrysler Automobiles (FCA) hervorgegangen. Der Konzern ist mit seinen 14 Marken der viertgrößte Automobilhersteller der Welt nach verkauften Fahrzeugen.
Der Kläger kaufte im März 2013 das Wohnmobil „Chic E line i49“ des Herstellers Carthago für 107.800 Euro. Das Fahrzeug ist mit einem für das Basisfahrzeug Fiat Ducato typischen 2,3-Liter-Motor mit 180 PS der Euronorm 5b ausgestattet. Die Motorkennung lautet der Kanzlei zufolge, die das verbraucherfreundliche Urteil erstritten hat, F1CE3481E.
Der Hintergrund: „Die Multijet-Motoren sind nach landläufiger Ansicht so konstruiert, dass die gesetzlich vorgeschriebene Abgasnachbehandlung nach etwas mehr als 20 Minuten nach jedem Motorstart deaktiviert wird. Da der Testlauf auf einem Abgasprüfstand nur rund 20 Minuten andauert, führt die Deaktivierung der Abgasnachbehandlung dazu, dass das Fahrzeug würde den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestgrenzwert für NOx-Mengen genügt. Das ist aber eben nur auf dem Prüfstand der Fall. Darüber hinaus befindet sich im Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs ein Thermofenster, dass die Abgasreinigung über die Außentemperatur des Fahrzeugs regelt und damit innerhalb breit angelegter Grenzen ausschaltet“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.
Es ist das zweite Versäumnisurteil in kurzer Zeit gegen Stellantis. Das erste erging vor dem Landgericht Schwerin (Urteil vom 15.09.2021, Az.: 1 O 143/21). Für das Wohnmobil „T65“ des Herstellers Sunlight mit einem für das Basisfahrzeug Fiat Ducato typischen 2,3-Liter-Motor mit 150 PS der Abgasnorm Euro 6b erhielt der geschädigte Verbraucher Schadenersatz für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs resultieren. Den Streitwert legte das Gericht auf 51.500 Euro fest. Eine Nutzungsentschädigung legte das Gericht nicht fest.
Dieselexperte Dr. Gerrit W. Hartung hat zuletzt mehrere großvolumige Klagen gegen die Stellantis N.V. bei verschiedenen deutschen Gerichten eingereicht. Dabei weist er auch auf ein Gutachten der Deutschen Umwelthilfe (DUH) hin. Die Einrichtung hatte im Dezember 2020 festgestellt, dass zwei Fiat-Reise- beziehungsweise Wohnmobile der Abgasnorm Euro 5 die zulässigen Werte für den Ausstoß von giftigen Stickoxiden „bei Weitem“ übersteigen. Der Ducato 150 Multijet (Pilote G700G) beispielsweise überschreitet den erlaubten Stickoxidgrenzwert im realen Fahrbetrieb um den Faktor 6,9, der Ducato 150 Multijet (Dethleffs T7150) um das 9,9-Fache.
„Das Gutachten hat den Fiat-Dieselskandal erst richtig in Bewegung versetzt. Es kann kaum noch Zweifel geben, dass auch bei Reise- und Wohnmobilen munter manipuliert worden ist, um die Emissionswerte zu fälschen. Aufgrund der Kaufpreise solcher Reise- und Wohnmobile können die wirtschaftlichen Schäden sehr groß sein. Eigentümer sollten daher die Möglichkeit der Betrugshaftungsklage dringend prüfen, um keine wirtschaftlichen Nachteile zu erleiden, sondern ihr Recht durchzusetzen“, betont Dieselanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.