Fiat-Wohnmobil-Abgasskandal: Gutachten soll Anschuldigungen gegen Fiat klären!
Fiat Chrysler Automobiles steht vor dem Landgericht Dortmund wegen der Manipulation der Abgasreinigung in einem Fahrzeug der Marke Hymer Tramp SL 704 mit der Abgasnorm Euro 6b.
Der Dieselabgasskandal Fiat Chrysler Automobiles (FCA, heute Stellantis) setzt sich fort. Das Landgericht Dortmund befasst sich derzeit mit der Frage, ob ein Hymer-Wohnmobil mit einem Fiat-Multijet-Motor im Straßenverkehr die gesetzlich vorgeschriebenen Abgasgrenzwerte einhält oder nicht. Streitgegenständlich ist ein Fahrzeug der Marke Hymer Tramp SL 704. Beim Motor handelt es sich um ein Multijet 2,3l mit 150 PS der Abgasnorm Euro 6b. Der geschädigte Verbraucher kaufte das Wohnmobil für 96.600 Euro im Mai 2019 und reichte am 31. August 2021 gegen FCA Klage ein, um eine mögliche Schadenersatzpflicht im Diesel-Abgasskandal zu klären.
Mit Beschluss vom 10. Oktober 2022 (Az.: 4 O 286/21) möchtet das Landgericht Dortmund von einem Gutachter unter anderem folgende Fragen beantwortet haben:
- Liegen die Abgaswerte des streitgegenständlichen Fahrzeugs Tramp SL 704 des Herstellers Hymer mit dem Motor Fiat Ducato 2,3 im Realbetrieb über den Grenzwerten der Euro 6b-Norm?
- Stellt die möglicherweise Überschreitung der Abgasgrenzwerte ein Mangel dar?
- Ist das streitgegenständliche Fahrzeug mit einer – den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduzierenden – Abschalteinrichtung im Sinne der einschlägigen EU-Verordnung versehen?
- Verfügt das Fahrzeug über eine Software, die dafür sorgt, dass die Abgasrückführungsrate des Fahrzeugs bei Erkennen einer Prüfstandsituation anhand der Ansaugluft-, Kühlwasser- und Abgastemperatur um mehr als die Hälfte erhöht wird?
- Sorgt ein Timer mit einer Laufzeit von 1.310 Sekunden dafür, dass die Abgasreinigung nach Ende der NEFZ-Prüfung eingestellt beziehungsweise erheblich reduziert wird?
- Ist das On-Board-Diagnosesystem (OBD) im streitgegenständlichen Fahrzeug so konfiguriert, dass es keine Warnungen ausgibt?
- Steht für den streitgegenständlichen Motor ein Softwareupdate zur Verfügung? Wenn ja: Wäre dieses nicht geeignet, die Manipulation zu beheben, ohne weitere Schäden an dem streitgegenständlichen Fahrzeug einzurichten?
„Verschiedene Gerichte haben den Schadenersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB gegen Fiat Chrysler bereits bestätigt, unter anderem wegen des Designs der Motorsteuerungs-Software in der Art, dass nach ca. 22 Minuten beziehungsweise nach einer definierten Anzahl von Zyklen die Abgasrückführungsrate auf nahezu Null zurückgefahren und die Regeneration des NOx-Speicherkatalysators deaktiviert wird. Man darf also gespannt sein, ob das Landgericht Dortmund sich diesen Tendenzen nach dem Gutachten anschließt und ebenfalls verbraucherfreundlich entscheidet“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.
Fiat Chrysler steht als Hersteller der Basisfahrzeuge für hochwertige Wohn- und Reisemobile mitten im Feuer des Dieselabgasskandals. Eine Verfügung des Oberlandesgericht München vom 3. August 2022 (Az.: 36 U 3000/22) beispielsweise verstärkt diese Ansicht. Streitgegenständlich ist ein Wohnmobil Boxstar 600 Solution 4 von Knaus mit einem Fiat Ducato-Motor. Das Gericht verweist in seiner Verfügung auf die verbraucherfreundliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und hält ein sittenwidriges Handeln von FCA für begründet.
Verbraucherschutzanwalt Dr. Gerrit W. Hartung rät in dem Zusammenhang zu einem anderen Vorgehen als üblich im Dieselabgasskandal: „Aufgrund der gestiegenen Gebrauchtwagenpreise ergibt es Sinn, den kleinen Schadensersatz durch Vergleich oder Urteil zu erstreiten. Damit erhält der geschädigte Verbraucher eine geringere Summe im Rahmen der Wertminderung des Wohnmobils, muss aber das Fahrzeug nicht zurückgeben!“