EuGH-Urteil macht rund 20 Millionen Autokredit- und Leasingverträge widerrufbar
„Totgeglaubte leben länger!“ Stefanie Fandel ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und rechnet fest damit, dass der Widerrufsjoker auf die Bühne des Verbraucherschutzes quicklebendig zurückkehrt: Der EuGH hat in einem aktuellen Urteil erklärt, dass sogenannte Widerrufsinformationen in bestimmten Kreditverträgen unvereinbar mit europäischem Recht sind und Verträge daher jederzeit widerrufbar sind.
Betroffen sind davon rund 20 Millionen Autokredit- und Leasingverträge mit einem Gesamtvolumen von geschätzt 340 Milliarden Euro. Bei ebenfalls widerrufbaren Baukrediten für private Haushalte geht es nach Expertenmeinung um eine Darlehenssumme von insgesamt 1,2 Billionen Euro.
Verhandelt wurde beim EuGH die Klage eines Sparkassenkunden aus Deutschland, der seinen Immobilienvertrag aufgrund vermeintlich falscher Widerrufsinformationen widerrufen wollte.
Schon die erste Instanz – das Landgerichts Saarbrücken sah die Problematik auf der europäischen Ebene verortet und verwies die Klage an den EuGH. Dieser befand die Klauseln für nicht mit europäischen Regeln für den Verbraucherschutz übereinstimmend und gab der Klage statt.
„Die vom EuGH bewertete Klausel befinden sich quasi in allen Verbraucherkreditverträgen die nach dem 10. Juni 2010 abgeschlossen wurden und bei Immobiliendarlehen, die zwischen 2010 und 2016 abgeschlossen wurden!“ sagt Rechtsanwältin Fandel.
Die Wirtschaftskanzlei Dr. Hartung Rechtsanwälte prüft Widerrufsbelehrungen kostenlos. Wenn die entsprechende Klausel vorkommt, steht Stefanie Fandel als juristische Begleiterin aussichtsreicher Verfahren zur Verfügung. „In vielen Fällen kann auch damit gerechnet werden, dass sich Sparkassen anhand der Deutlichkeit des EuGH-Spruches sehr vergleichsbereit zeigen“, so die erfahrene Verbraucherschutz-Anwältin weiter.
Die Sparkassen – und viele andere Kreditgeber auch – hatte in ihren Widerrufsbelehrungen auf § 492 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches verwiesen. Das umfangreiche Regelwerk ist komplex und juristische Laien können dieses vom Grundsatz her schon nicht verstehen.
Hier liegt ein sogenannter „Kaskadenverweises“ vor, dessen Tragweite ein durchschnittlicher Verbraucher gar nicht absehen könne, so der EuGH. „Klar und prägnant wie gefordert ist etwas anderes“ findet auch Stefanie Fandel und freut sich über die aktuelle Entscheidung, die den Widerrufsjoker wieder ins Spiel bringt.
Interessant ist das Urteil vor allem für Autokredite, da die verwendete Klausel bis heute in vielen Finanzierungen durch Autobanken zu finden ist. Bei Immobilienfinanzierungen sind Verträge widerrufbar, die zwischen 2010 und 2016 geschlossen wurden. Allerdings: Der BGH hatte die entsprechende und jetzt vom EuGH gerügte Klausel 2016 für rechtens erklärt.
Stefanie Fandel: „Für Verbraucher geht es pro Vertrag um einige tausend Euro. Bei verbundenen Verträgen mit Autobanken muss die Bank das Auto auch zurücknehmen. Das ist deutlich lukrativer als z.B. das Vergleichsangebot von Volkswagen anzunehmen.“