Das OLG Celle treibt die Dieselgate-Affäre 2.0 mit Beschluss voran!
Dieselgate 2.0 um den Vierzylinder-Dieselmotor EA288 der Volkswagen AG ist nicht beendet. Das Oberlandesgericht Celle fordert in einem Verfahren Informationen des Kraftfahrt-Bundesamts an.
Die Volkswagen AG steht weiterhin im Dieselabgasskandal im Feuer. Das Oberlandesgericht Celle hat in einem Beschluss (Az.: 7 U 1204/20 zu Az.: 17 O 174/19 Landgericht Hannover) das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) zu wichtigen Fragen im Dieselskandal um amtliche Auskunft angerufen.
Das Gericht will wissen, ob der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbaute Dieselmotor vom KBA nachträglich auf das Vorliegen unzulässiger Abschalteinrichtung überprüft worden sei und wenn ja, zu welchem Ergebnis die Behörde gekommen sei. Ebenfalls fragt das Gericht konkret, ob eine nach den EU-Richtlinien unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut sei. „Dabei zeigt das Gericht deutlich, dass es weiß, wovon es spricht. Die Richter nennen eine ganze Reihe an unzulässigen Abschalteinrichtungen, die bereits in baugleichen Fahrzeugen mit dem Vierzylinder-Dieselmotor EA288 aufgefallen und als schadenersatzwürdig im Rahmen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung bewertet worden sind“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.
Das Oberlandesgericht Celle nennt dabei als Möglichkeiten:
- eine Funktion, die durch Bestimmung der Außentemperatur die Parameter der Abgasrückführung so verändert, dass die Abgasrückführung außerhalb eines Temperaturfensters von 17 bis 33 Grad Celsius reduziert wird (sogenanntes Thermofenster)
- eine Schalt-Einstellung des Getriebes, welche erkennt, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet und daraufhin ein Schaltprogramm aktiviert, welches besonders wenige Schadstoffe produziert
- eine Funktion, welche erkennt, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet und auf dem Prüfstand die Effizienz der Abgasreinigung durch den SCR-Katalysator und die Ad-Blue-Einspritzung erhöht, wodurch die Emissionswerte auf dem Rollenprüfstand reduziert werden,
- eines nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden On-Board-Diagnosesystems.
Daraus folgt laut Gericht eine weitere Frage: „Sollten unzulässige Abschalteinrichtungen vorliegen: Handelt es sich in der Gesamtschau um eine Software, die aufgrund der engen Bedatung einer Prüfstandserkennung gleichkommt?“ Ebenso heißt es in dem Beschluss: „Hat die Beklagte im Typengenehmigungsverfahren gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt, das zu den Quellcodes der Software keinen Zugang hat, sondern auf die schriftlichen Angaben des Herstellers angewiesen ist, hinsichtlich des Emissionsverhaltens des betreffenden Fahrzeugtyps (insbesondere: hinsichtlich der vorgenannten, vom Kläger behaupteten/als unzulässig beanstandeten Abschalteinrichtungen) unzutreffende oder (nach damaligem Maßstab) unvollständige Angaben gemacht? Wenn ja, welche Angaben waren dies?“
Dieselexperte Dr. Gerrit W. Hartung betont, dass dies Schadenersatzklagen im Dieselgate 2.0 weiteren Schwung verleihen könne. „Der erwartete Erkenntnisgewinn ist sehr groß und kann viele weitere Verfahren zugunsten geschädigter Verbraucher beeinflussen. Die Volkswagen AG sollte nicht annehmen, dass die Sache ausgestanden ist. Die Chancen für geschädigte Verbraucher sind weiterhin sehr groß. Der Weg zu einer guten finanziellen Kompensation im Dieselabgasskandal führt über die Gerichte.“