Daimler-Dieselskandal: Konzern muss zur Abgastechnologie Stellung nehmen
Das Landgericht Hamburg hat die Daimler AG im Diesel-Abgasskandal nachdrücklich aufgefordert, im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast detailliert die Funktionsweise des Abgasrückführungssystems und die damit einhergehende Veränderung der Ergebnisse bei den Abgasgrenzwerten zu erklären. Dieser Beschluss ist ein weiterer wichtiger Punkt im Daimler-Abgasskandal. Die Daimler AG ist Produzent der Kfz-Marke „Mercedes-Benz“.
Die Daimler AG mit ihrer Kernmarke Mercedes-Benz kann sich somit dem Dieselskandal nicht entziehen. Jetzt hat das Landgericht Hamburg (Beschluss vom 30.07.2020, Az.: 333 O 178/19) die Daimler AG ausdrücklich aufgefordert, im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast vorzutragen, „wie das Abgasrückführungssystem genau im Normalbetrieb funktioniert und welche Softwareprogramme wie genau auf dieses System im Prüfstand zugreifen und die Ergebnisse beeinflussen. Die Beklagte möge die Funktionsweise der Abgasrückführungsregelung genau und temperaturabhängig darlegen, insbesondere auch angeben, in welchem Maße die Rückführung bei welchen Temperaturen und warum reduziert wird. Auch möge vorgetragen werden, inwieweit Gründe des Motorschutzes eine Veränderung der Abgasrückführung in welchem Umfang erforderlich machte und nicht durch andere technische Lösungen hätte vermieden werden können.“
Für den Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH ist dieser Beschluss ein weiterer wichtiger Punkt im Daimler-Abgasskandal. „Wenn ein Landgericht die Daimler AG auffordert, genau zu der verwendeten Abgastechnologie Stellung zu nehmen, erhöht das den Druck auf den Autokonzern maßgeblich. Die Daimler AG muss sich jetzt proaktiv entlasten und kann sich nicht hinter Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen verstecken.“ Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde.
Der Beschluss des Landgerichts Hamburg folgt dem Vortrag eines geschädigten Verbrauchers, dass in seinem Mercedes-Benz-Diesel mit dem Motor OM642 eine unberechtigte Thermosoftware sowie eine Software verbaut worden sei, die erkenne, ob sich das Fahrzeug auf dem Rollenprüfstand oder im normalen Straßenverkehr befinde. Durch die Software würden die Abgasgrenzwerte auf dem Prüfstand eingehalten, aber eben nicht im Straßenverkehr.
„Dass Abschaltvorrichtungen illegal sind, wenn sie zu einem erhöhten Emissionsausstoß im realen Straßenbetrieb führen, hat die Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof Eleanora Sharpston in einem vielbeachteten Verfahren am 30. April 2020 klargemacht. Diese Vorrichtungen seien nur in ganz engen Grenzen und nur zum unmittelbaren Schutz des Motors erlaubt“, stellt Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung die Rolle der Daimler AG im Abgasskandal heraus.
Das sei ein weiterer Anhaltspunkt für die Rolle der Daimler AG mit ihrer Premium-Marke Mercedes-Benz im Dieselskandal. Immer mehr Gerichte urteilten im Sinne der Verbraucher gegen die Daimler AG und sprächen ihnen im Wege von Betrugshaftungsklagen Schadensersatz zu. Daimler werde es immer schwieriger haben, die angebliche Zulässigkeit der Thermofenster bei der Abgasreinigung zu begründen.
Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung hatte für die vielfach positive Rechtsprechung für Geschädigte im Mercedes-Dieselskandal mit einem vielbeachteten Urteil am Bundesgerichtshof vom 28. Januar 2020 die Basis gelegt. Danach können Schadensersatzansprüche im Abgasskandal gegen die Daimler AG von einem Gericht nicht einfach als Behauptungen „ins Blaue hinein“ abgewiesen werden. Das gilt auch dann, wenn kein Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorliegt. Vielmehr ist das Gericht laut dem BGH gehalten, ein angebotenes Sachverständigengutachten auch einzuholen, da ansonsten der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt wird. Verschiedene Gerichte haben diese Argumentation aufgegriffen und weiter ausgeführt, etwa das Oberlandesgericht Köln in einer entsprechenden Verfügung (18.05.2020; Az.: 24 U 419/19) oder auch der 16a. Zivilsenat des OLG Stuttgart: Der Autohersteller müsse die Funktionsweise von verwendeten Abschalteinrichtungen wie Thermofenster oder Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung darlegen und erklären, warum diese Funktionen notwendig und damit zulässig sein sollen, machten die Richter in drei Verfahren am 5. Mai 2020 deutlich.