BGH steht auf der Seite klagender VW-Besitzer
Hinweisbeschluss VIII ZR 225/17
Es hat den Eindruck, als ob der Bundesgerichtshof sich im Dieselskandal endlich positionieren möchte und es leid ist, immer nur für „Beinahe-Entscheidungen“ herhalten zu müssen. Nach der erneuten Verfahrenseinstellung – diesmal zum Aktenzeichen VIII ZR 225/17 – hat der BGH einen Hinweisbeschluss veröffentlicht und damit höchstrichterliche Rechtsauffassung für ein im Abgasskandal sehr wichtiges Thema manifestiert.
Üblicherweise wird zwischen den Parteien Stillschweigen vereinbart, sodass eine juristische Bewertung der Verfahrenseinstellung und eine allgemeine Diskussion darüber kaum möglich ist. Diesmal allerdings gaben die Karlsruher Richter der Öffentlichkeit eine Nachricht in Form eines Hinweisbeschlusses mit auf den Weg.
Im Verfahren um einen VW Tiguan stellte man fest, dass eine Vorrichtung zur Manipulation einer Abgasanlage ein Sachmangel ist.
Der Besitzer eines vom Skandal betroffenen Motors EA189, in dem eine illegale Abschaltvorrichtung für die Abgasreinigung installiert worden war – so wie bei 2,6 Millionen anderen Fahrzeugen auch –, hat Anspruch auf die Lieferung einer mängelfreien Sache, also auch eines Neufahrzeugs.
Der Tiguan-Fahrer hatte auf Lieferung eines mangelfreien Tiguans geklagt, dies war ihm verweigert worden, u. a. vom OLG Bamberg, das bei der Klageabweisung argumentierte: Der Tiguan würde seit 2015 in dieser Version nicht mehr produziert. Die Forderung nach Lieferung eines aktuellen Modells der wegen der Unmöglichkeit der Ersatzlieferung ausgeschlossen.
Der BGH stellte in seinem Hinweisbeschluss jetzt fest, dass bei Fahrzeugen mit unzulässigen Abschalteinrichtungen vom Vorliegen eines Sachmangels auszugehen ist, weil die Gefahr bestehe, dass dem Fahrzeug die Betriebserlaubnis entzogen werde.
Rechtsanwalt Dr. Hartung, Kooperationsanwalt der IG Dieselskandal: „Wäre das Verfahren nicht nach Vergleich eingestellt worden, wäre es größter Wahrscheinlichkeit nach zu einer Rückverweisung ans OLG gekommen mit der deutlichen Empfehlung, die Unmöglichkeit des Tausches noch einmal zu überdenken.“
Der BGH äußert sich sehr deutlich: „Im Hinblick auf die vom Verkäufer vertraglich übernommene Beschaffungspflicht dürfte der mit einem Modellwechsel einhergehender Änderungsumfang für die Interessenslage des Verkäufers ohne Belang ein. Vielmehr dürfte es ihm um die Höhe der Ersatzbeschaffungskosten gehen. Diese führe jedoch nicht zur Unmöglichkeit der Leistung“.
Rechtsanwalt Dr. Hartung vertritt über 1000 Mandanten in Schadensersatzklagen gegen VW, Porsche, Audi und Mercedes ist sicher, dass der Hinweisbeschluss dazu führen wird, dass noch mehr Verfahren in der 2. Instanz verglichen werden: „VW kann nicht auf ein positives Urteil vor dem BGH hoffen!“