BGH erlässt verbraucherfreundliches Urteil im Mercedes-Dieselskandal
Der Bundesgerichtshof hat über die Unwirksamkeit der formularmäßigen Abtretung von Ansprüchen des Käufers an die Finanzierungsbank in einem Dieselverfahren entschieden und damit indirekt die Rechte der Verbraucher im Dieselabgasskandal erneut gestärkt.
Mercedes-Benz hat eine empfindliche Niederlage vor dem Bundesgerichtshof (BGH) erlitten. Das oberste Gericht hat mit Urteil vom 24. April 2023 (Az.: VIa ZR 1517/22), dass die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Finanzierungsbank enthaltene Klausel über die Sicherungsabtretung von Ansprüchen des Käufers und Darlehensnehmers gegen den Verkäufer und Hersteller eines Dieselfahrzeugs Ansprüche auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung erfasst und unwirksam ist, wie es in der entsprechenden Pressemitteilung heißt. Mit der Finanzierungsbank ist die Mercedes-Benz-Bank gemeint.
Im streitigen Fall hatte der geschädigte Verbraucher einen Mercedes-Benz GLC 250 mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 mit der Schadstoffklasse Euro 6 erworben. Der Kläger nahm Mercedes wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf Schadensersatz in Anspruch und finanzierte den Kaufpreis teilweise noch bei einer Bank, die eine Klausel zur Sicherungsabtretung von Ansprüchen in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthielt.
„Mit der Klausel sollte der Käufer und Darlehensnehmer alle Ansprüche auf Schadensersatz an die Bank abtreten – also auch Forderungen aus dem Dieselabgasskandal. Daraus kann man ableiten, dass Mercedes-Benz beziehungsweise der Mutterkonzern Daimler AG sich auf diese Weise Verpflichtungen aus Dieselklagen entledigen wollte. Die Abtretungsklausel ist so zu verstehen, mit Ausnahme von Gewährleistungsansprüchen aus Kaufvertrag erfasse sie jedenfalls sämtliche mit dem Erwerb des Fahrzeugs in Zusammenhang stehenden Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.
Das Landgericht Stuttgart und das Oberlandesgericht Stuttgart hatten die ursprünglich Dieselklage abgewiesen, weil der Verbraucher Mercedes-Benz gar nicht habe verklagen können. Schließlich habe er solche Ansprüche wirksam an die Bank abgetreten. Nach Angaben des Oberlandesgerichts Stuttgart findet sich diese Klausel übrigens „regelmäßig“ in den Darlehensbedingungen der Bank. Ein Kernargument des BGH lautet: „Die von der Darlehensgeberin in den Darlehensvertrag eingeführte Abtretungsklausel weicht von diesen zugunsten des Klägers zwingenden gesetzlichen Vorgaben ab. Sie führt in Fällen, in denen die Beklagte als Verkäuferin den Kaufpreis vereinnahmt hat, das Widerrufsrecht aber noch fortbesteht und vom Käufer und Darlehensnehmer später ausgeübt wird, dazu, dass der Käufer und Darlehensnehmer entgegen § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB eine von ihm aus eigenen Mitteln erbrachte Anzahlung auch dann nicht einredefrei herausverlangen oder mit einem Anspruch auf Rückgewähr der Anzahlung auch dann nicht gegen einen Anspruch des Darlehensgebers auf Wertersatz aufrechnen kann, wenn er seiner gesetzlichen Vorleistungspflicht auf Rückgabe des Fahrzeugs genügt hat.“
Der Bundesgerichtshof hatte die Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen bereits nach einer ersten mündlichen Verhandlung vom 13. März 2023 tendenziell für unwirksam erklärt und dies nun final entschieden. „Die Chancen auf Schadensersatz sind durch juristische Entwicklungen der vergangenen Monate enorm gestiegen. Und jetzt hat der Bundesgerichtshof eben auch herausgestellt, dass auch versteckte AGB-Klauseln nicht dafür geeignet sind, die Automobilhersteller von ihren Verpflichtungen zu entbinden. Bestätigt der BGH-Senat die erste Einschätzung, muss sich das Oberlandesgericht mit der Frage auseinandersetzen, ob Mercedes Benz im Abgasskandal haftbar gemacht werden kann“, betont Verbraucherrechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.