Beweisbeschluss soll im Wohnmobil-Abgasskandal Klarheit schaffen
Das Landgericht Ulm will durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens Abgasmanipulationen an einem Hymer-Fahrzeug aufdecken.
Keine Erholung im Dieselabgasskandal bei Reise- und Wohnmobilen: Jetzt hat das Landgericht Ulm einen Beweisbeschluss erlassen (Az.: 6 O 229/21) in einem Dieselverfahren gegen Hymer/FCA Italy erlassen. Der geschädigte Verbraucher behauptet, in dem streitgegenständlichen Fahrzeug seien Sensoren eingebaut worden, welche innerhalb von fünf Sekunden nach dem Motorstart die Ansaugluft-, Kühlwasser- und Abgastemperatur messen. Seien diese gleich hoch, werde ein Signal entsandt, sodass die Software annehme, sich möglicherweise in einer Prüfsituation zu befinden. Als Befehl werde dem Programm „Motorlauf prüfen“ erteilt. Die NEFZ-Software werde eingeschaltet. Die Abgasreinigung laufe. Damit sichergestellt werde, dass die Abgasreinigung nur auf dem Prüfstand eingeschaltet ist und im Übrigen nicht, würden in einem zweiten Schritt Abschalteinrichtungen verbaut, welche prüfen, wann die NEFZ-Fahrt beendet werde, sodass die Abgasreinigung dann ausgeschaltet werde. Diese Abschalteinrichtungen würden sich zum Teil unterscheiden, hätten jedoch dasselbe Ziel – eine optimale Abgasreinigung der Zulassungsbehörde und im Ergebnis – dem Kunden – vorzutäuschen.
Ebenso heißt es in dem Beweisbeschluss mit Bezug zu den klägerischen Behauptungen: „Die Umgebungsbedingungen würden vor dem Motorstart von dem Software-Gerät ausgewertet werden. Sprechen diese für das Vorliegen eines NEFZ-Prüfstandes, schalte sich die Abgasreinigung ein. Im nächsten Schritt würden andere Parameter von dem Programm geprüft, wobei diese Prüfung die ganze Zeit am Laufen sei. Denn die Abgasreinigung dürfe nicht länger erfolgen, als unbedingt notwendig. Aus diesem Grund werde auch hier zunächst ein Timer eingesetzt, welcher nach 21,8 Minuten die Abgasreinigung einstelle. Darüber hinaus werde auch ein anderer Timer benutzt, dieser sorge dafür, dass im Falle des Auftretens von Störgrößen (dazu sogleich) die AGR-Rate nach 240 Sekunden (4 Minuten) auf Null gesetzt werde.“ Im Rahmen der Feststellungen betreffend ein Euro 6-Modell werde bei einer Temperatur von 15 bis 39 Grad Celsius der Korrekturfaktor der AGR-Steuerung im normalen „Straßenbetrieb“ von 100 Prozent auf Null gefahren, sodass die Abgasreinigung abgeschaltet werde. Anders verhält sich die AGR-Rate auf dem NEFZ-Prüfstand, dann funktioniere diese zu 100 Prozent.
„Das Landgericht Ulm will durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens nun Beweis über die Behauptungen des Klägers erheben und damit eine weitere Entscheidung im Dieselabgasskandal bei Reise- und Wohnmobilen herbeiführen. Mehrere Urteile und Gutachten zeigen bereits, dass der Fiat-Dieselskandal weitere Formen annimmt. Es kann kaum noch Zweifel geben, dass auch bei Reise- und Wohnmobilen munter manipuliert worden ist, um die Emissionswerte zu fälschen. Aufgrund der Kaufpreise solcher Reise- und Wohnmobile können die wirtschaftlichen Schäden sehr groß sein. Eigentümer sollten daher die Möglichkeit der Betrugshaftungsklage dringend prüfen, um keine wirtschaftlichen Nachteile zu erleiden, sondern ihr Recht durchzusetzen“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung, dessen Kanzlei sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen befasst und sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert hat .
Dieselexperte Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde und hat zuletzt in mehreren Fällen des Wohnmobil-Abgasskandals Klage gegen den Hersteller Stellantis N.V. eingereicht. Stellantis ist im Januar 2021 aus der Fusion der Automobilkonzerne Groupe PSA (PSA) und Fiat Chrysler Automobiles (FCA) hervorgegangen. Der Konzern ist mit seinen 14 Marken der viertgrößte Automobilhersteller der Welt nach verkauften Fahrzeugen.