Audi Dieselskandal: Neuerliche Urteile zum V6-TDI der Baureihe EA897
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in zwei Urteilen die Audi AG für die Abgasmanipulationen am 3,0-Liter-Sechszylinder-Diesel Audi SQ5 zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt. Die Landgerichte hatten die Klagen in erster Instanz abgewiesen.
Die Audi AG kommt im Dieselabgasskandal nicht zur Ruhe. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Urteilen vom 24. Februar 2021 (Az.: 4 U 257/19, vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 26.09.2019, Az.: 2-13 O 86/19; und Az.: 4 U 274/19, vorausgehend Landgericht Hanau, Urteil vom 16.10.2019, Az.: 4 O 820/19) Haltern von Audi SQ5 mit dem Dieselmotor der Baureihe EA897 und der Abgasnorm Euro 6 Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB zugesprochen. Der Audi SQ5 gehört zu der langen Reihe an 3,0-Liter-Modellen mit sechs Zylindern der Audi AG, die im Dieselabgasskandal mitten im Feuer stehen.
„Die Landgerichte hatten die Klagen in erster Instanz abgewiesen. Auf die Berufung der jeweiligen Kläger wurde die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe des Kraftfahrzeugs verurteilt. Die vom Bundesgerichtshof zum Dieselskandal in der Grundsatzentscheidung vom 25. Mai 2020 aufgestellten Voraussetzungen seien auf die hier vorliegende Konstellation übertragbar und lägen hier vor“, nennt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Argumente des Gerichts. Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde.
Der Audi SQ5 ist nicht erst seit diesen Verfahren streitgegenständlich. Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) hatte Anfang 2018 mitgeteilt, dass unter anderem dieses Modell eine unzulässige Abschalteinrichtung enthalte. Die schadstoffmindernde, sogenannte schnelle Aufwärmfunktion springe nahezu nur im Prüfzyklus NEFZ (Neuer Europäischer Prüfzyklus) an. Im realen Verkehr unterbleibe diese NOx-Schadstoffminderung, betont das Oberlandesgericht. Die Beklagte übersandte Rückrufschreiben an die jeweiligen Kläger mit dem Hinweis auf ein vom KBA freigegebenes Softwareupdate.
Daraus folgt für das Oberlandesgericht Frankfurt am Main: „Es sei objektiv sittenwidrig, ein Fahrzeug in den Verkehr zu bringen, dessen Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert worden sei, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten würden. Hier liege eine versteckte Abschalteinrichtung vor“, betont Dieselexperte Dr. Gerrit W. Hartung. Es seien Parameter für die Motoraufwärmfunktion vorgegeben worden, die auf den Prüfstand zugeschnitten gewesen seien und gewährleisteten, dass die Funktion dort wirkte. Im realen Straßenbetrieb habe die Funktion jedoch nur dann funktioniert, wenn zufällig der seltene Ausnahmefall der eingegebenen engen Parameter vorgelegen habe. Es könne nicht angenommen werden, „dass die Funktion im realen Straßenverkehr eine echte schadstoffmindernde Wirkung haben sollte“, so das Gericht weiter.
Zuletzt hat das Landgericht Hamburg (Urteil vom 28.01.2021, Az.: 328 O 231/20) den Autohersteller wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB bei einem Audi SQ5 zu Schadenersatz verurteilt. Der geschädigte Verbraucher erhält 45.132,38 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 19. August 2020 und wird von den Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1822,96 Euro freigestellt. Der streitgegenständliche Audi SQ5 3.0 TDI kostete beim Erwerb am 12. Februar 2016 mit einer Laufleistung von 50 Kilometern 62.845,74 Euro. Zum Schluss der mündlichen Verhandlung wies das Fahrzeug eine Laufleistung von 98.635 Kilometern auf. Das Fahrzeug verfügt über einen Dieselmotor der Baureihe EA897 und der Abgasnorm Euro 6 mit sechs Zylindern.
Die Baureihe EA897 umfasst Sechszylinder-Dieselmotoren mit drei Litern Hubraum und wird seit 2010 in verschiedenen Fahrzeugen des Volkswagen-Konzerns eingesetzt, wobei er von der Volkswagen-Tochter Audi AG hergestellt und zugeliefert wird. Damit sind vor allem Dieselfahrzeuge der Oberklasse betroffen. Dazu zählen beispielsweise die höherklassigen Modelle Porsche Cayenne II und Panamera II sowie Macan, Audi A4, A5, A6, A7, A8, Q5 und Q7 und VW Amarok, Touareg II und Phaeton. Kurz gesagt: Dreiliter-Dieselmotoren vom Typ EA897 sind flächendeckend vom Dieselskandal betroffen, und zwar sowohl in der Abgasnorm Euro 5 als auch in der neueren Norm Euro 6!