Abgasskandal - Verbraucher erhält neuen VW Sharan ohne Abzug von Nutzungsersatz
OLG Karlsruhe 13 U 144/17
Rund acht Jahre hat der Kläger seinen VW Sharan TDI genutzt. Jetzt kann er ihn im Tausch gegen einen fabrikneuen Sharan aus der aktuellen Serienproduktion an den Händler zurückgeben. Für die Kilometer, die er in den acht Jahren zurückgelegt hat, muss er nicht einen Cent Nutzungsersatz leisten. Das hat das OLG Karlsruhe mit Urteil vom 24. Mai 2019 entschieden (Az.: 13 U 144/17).
„Das Urteil des OLG Karlsruhe ist zwar noch nicht rechtskräftig, dennoch wird es eine große Signalwirkung haben und andere Gerichte werden sich an der Entscheidung orientieren. Ob VW oder der Händler es auf ein Revisionsverfahren vor dem BGH ankommen lassen werden, ist fraglich. Bisher war es jedenfalls eher die Taktik von VW, verbraucherfreundliche Urteile durch Obergerichte zu vermeiden. Das ist in diesem Fall schon schief gegangen. Im Abgasskandal geschädigte Verbraucher können von der Entscheidung des OLG Karlsruhe profitieren und Schadensersatzansprüche noch besser durchsetzen. Das gilt nicht nur für Fahrzeuge mit dem Dieselmotor des Typs EA 189, sondern auch und besonders für Modelle mit dem größeren 3-Liter-Dieselmotor, die wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung zurückgerufen werden. Betroffen davon sind diverse Audi-Modelle, der VW Touareg oder der Porsche Macan und Porsche Cayenne“, sagt Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.
In dem konkreten Fall vor dem OLG Karlsruhe hatte der Kläger 2011 einen VW Sharan 2,0 Liter TDI neu gekauft. Da das Fahrzeug vom Abgasskandal betroffen und daher mangelhaft ist, verlangte der Kläger Anfang 2016 die Lieferung eines mangelfreien Neuwagens. Eine Nachbesserung sei unzumutbar, weil die Auswirkungen eines Software-Updates ungewiss seien. Zudem habe das Vertrauen zu VW aufgrund der Abgasmanipulationen gelitten.
Das LG Konstanz hatte die Klage in erster Instanz abgewiesen, das OLG Karlsruhe gab dem Kläger jedoch Recht. Das Fahrzeug sei durch die Abgasmanipulationen mangelhaft und nicht für die gewöhnliche Verwendung im Straßenverkehr geeignet, da der Verlust der Zulassung gedroht habe. Der Käufer habe daher einen Anspruch auf Ersatzlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs.
Wird dieses Fahrzeug inzwischen nicht mehr hergestellt, so wie es hier der Fall ist, umfasse dieser Anspruch auch die Lieferung eines typengleichen Fahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion, führte das OLG Karlsruhe aus und folgte damit dem Hinweisbeschluss des BGH vom 8. Januar 2019.
Auch wenn ein Software-Update deutlich günstiger sei, liege in der Lieferung eines Neufahrzeugs keine Unverhältnismäßigkeit. Selbst wenn der Mangel durch ein Software-Update hätte beseitigt werden können, wäre dies unmöglich gewesen, da zum Zeitpunkt des Nacherfüllungsverlangens noch gar kein Update angeboten wurde. Ein Verkäufer könne nicht auf Unverhältnismäßigkeit verweisen, wenn der Mangel durch Nachbesserung nicht vollständig, nachhaltig und fachgerecht beseitigt werden kann. Da beim Autokauf ein Verbrauchsgüterkauf vorliege, sei der Kläger lediglich zur Rückgabe des mangelhaften Fahrzeugs, nicht aber zum Nutzungsersatz verpflichtet, so das OLG Karlsruhe.
„Kunden von VW, Audi, Porsche und auch Mercedes haben nach diesem Urteil gute Aussichten, Schadensersatzansprüche ohne Abzug eines Nutzungsersatzes durchzusetzen“, so Rechtsanwalt Dr. Hartung, Kooperationspartner der IG Dieselskandal.