Mercedes ML 250 BlueTec – Daimler muss Schadensersatz wegen unzulässiger Abschalteinrichtung leisten
LG Stuttgart 23 O 220/18
Das Landgericht Stuttgart hat erneut das von Mercedes verwendete Thermofenster bei der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft und Daimler zum Schadensersatz verurteilt. Die Klägerin kann ihren Mercedes ML 250 BlueTec 4Matic zurückgeben und Daimler muss den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung erstatten, entschied das LG Stuttgart mit Urteil vom 9. Mai 2019 (Az.: 23 O 220/18).
Die Abgasrückführung dient der Reduktion des Stickoxid-Ausstoßes. Werde diese Abgasführung bei niedrigen Außentemperaturen reduziert (Thermofenster), stelle dies eine unzulässige Abschalteinrichtung dar, so das LG Stuttgart. Dabei sei es unerheblich, in welchem Maß die Abgasrückführung reduziert wird.
Daimler hat sog. Thermofenster bei zahlreichen Diesel-Modellen verwendet. Zum wiederholten Mal hat ein Gericht nun entschieden, dass es sich bei dem Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. „Das zeigt, dass betroffene Mercedes-Kunden Schadensersatzansprüche geltend machen können. Das gilt unabhängig davon, ob ihr Fahrzeug von einem amtlichen Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt betroffen ist“, sagt Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.
In dem Fall vor dem LG Stuttgart hatte die Klägerin Ende 2015 einen Mercedes Benz ML 250 CDI BlueTec mit der Abgasnorm Euro 6 gebraucht gekauft. In dem Fahrzeug wird der Dieselmotor des Typs OM 651 verwendet. Zur Reduzierung der Stickoxid-Emissionen wird die Abgasrückführung eingesetzt, die bei kühleren Außentemperaturen aber nur reduziert arbeitet. Das Fahrzeug ist von einem verpflichtenden Rückruf durch das KBA betroffen. Die Klägerin verlangte die Rückabwicklung des Kaufvertrags, da das Fahrzeug durch unzulässige Abschalteinrichtungen deutlich mehr Schadstoffe ausstoße als von Daimler angegeben.
Die Klägerin sei vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden und habe daher Anspruch auf Schadensersatz, entschied das LG Stuttgart. Das Gericht geht davon aus, dass in dem Fahrzeug mehrere Abschalteinrichtungen verbaut sind. Insbesondere stelle das Thermofenster eine Abschalteinrichtung dar. Eine solche Abschalteinrichtung sei auch nicht ausnahmsweise zum Zwecke des Motorschutzes zulässig, wenn andere technische Lösungen möglich sind. Nicht notwendig und unzulässig sei eine Abschalteinrichtung, wenn sie nahezu ununterbrochen eingesetzt und unter Bedingungen eingreift, die zum normalen alltäglichen Gebrauch des Fahrzeugs zählen. Ein Thermofenster sei daher eine unzulässige Abschalteinrichtung. Eine weitere Abschalteinrichtung liege beim SCR-System. Hierbei wird den Abgaskatalysatoren eine bestimmte Menge Harnstoff (AdBlue) beigemischt. Im Prüfmodus NEFZ werde zwar die passende Menge AdBlue beigemischt, im realen Straßenverkehr werde diese aber reduziert.
Die Klägerin habe schon mit Abschluss des Kaufvertrags einen Schaden erlitten, da sie den Vertrag bei Kenntnis der Abschalteinrichtungen so nicht geschlossen hätte, so das LG Stuttgart. Kunden und Behörden seien durch die Nicht-Offenlegung der unzulässigen Abschalteinrichtungen getäuscht worden und es sei davon auszugehen, dass dies auch mit Wissen eines oder mehrerer Vorstandsmitglieder passiert sei, führte das Gericht weiter aus.
Daimler kann gegen das Urteil noch Berufung einlegen. Dennoch häufen sich im Abgasskandal die Urteile gegen Mercedes. „Das zeigt, dass gute Chancen bestehen, Schadensersatzansprüche durchzustehen“, so Dr. Hartung, Kooperationsanwalt der IG Dieselskandal.