Auch EA 288 betroffen - Abschalteinrichtungen grundsätzlich unzulässig
EuGH C-693/18 - Musterfeststellungsverfahren gegen VW beendet
Der 30. April 2020 hatte es im VW Abgasskandal in sich. Einerseits wurde das Musterfeststellungsverfahren gegen VW beendet. Nachdem sich Volkswagen mit rund 230.000 Verbrauchern auf einen Vergleich geeinigt hat, hat der Verbraucherzentrale Bundesverband die Musterklage zurückgezogen. Andererseits kann VW den Dieselskandal noch lange nicht zu den Akten legen. Denn am selben Tag erklärte Generalanwältin Eleanor Sharpston in ihrem Schlussantrag vor dem EuGH, dass Abschalteinrichtungen bis aus ganz enge Ausnahmen unzulässig seien und VW damit gegen geltendes Rechts verstoßen habe.
Für geschädigte VW-Käufer ergeben sich daraus verschieden Optionen: Wer das Vergleichsangebot von VW nicht angenommen hat, kann seine Schadensersatzansprüche individuell geltend machen. „Die Chancen stehen nach der Einschätzung der EuGH-Generalanwältin besser denn je“, sagt Rechtsanwalt Ulf Grambusch, Hartung Rechtsanwälte. Das gilt auch für diejenigen, die den Vergleich angenommen haben. Sie können die Annahme innerhalb von 14 Tagen widerrufen und ihre Ansprüche in einer Einzelklage geltend machen. „Das gilt auch in Hinblick auf die BGH-Verhandlung am 5. Mai. Trifft er verbraucherfreundliche Entscheidungen und kommt beispielsweise zu dem Schluss, dass VW keine Nutzungsentschädigung zusteht, lassen sich in vielen Fällen höhere Entschädigungssummen erzielen als im Vergleich angeboten“, so Rechtsanwalt Grambusch.
Die Einschätzung der Generalanwältin, dass Abschalteinrichtungen grundsätzlich unzulässig sind, wenn sie dazu führen, dass die Grenzwerte beim Emissionsausstoß nicht eingehalten werden, hat weitreichende Auswirkungen und betrifft nicht nur Fahrzeuge mit dem Dieselmotor des Typs EA 189, sondern auch Modelle mit dem Nachfolgemotor EA 288.
Auch bei dem Nachfolgeaggregat gibt es zwei unterschiedliche Betriebsmodi bei der Abgasreinigung. Das Landgericht Regensburg hat VW deshalb bei einem Golf VII mit dem Motor EA 288 erst kürzlich wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung zu Schadensersatz verurteilt (Az.: 73 O 1181/19).
Das Urteil wird durch die Einschätzung der Generalanwältin untermauert. Sie machte unmissverständlich klar, dass Abschalteinrichtungen nur in absoluten Ausnahmefällen zulässig sind, um den Motor vor dem Eintreten von unmittelbaren und plötzlichen Schäden zu schützen. Verschleiß oder Verschmutzung des Motors seien aber keine Rechtfertigung für eine Abschalteinrichtung.
„Damit hat die Generalanwältin nicht nur VW, sondern auch vielen anderen Autoherstellern ein wichtiges Argument genommen. Immer wieder haben sie Abschalteinrichtungen wie beispielsweise Thermofenster mit Motorschutzgründen gerechtfertigt. Mit dieser Argumentation dürften sie nicht mehr durchkommen“, erklärt Rechtsanwalt Grambusch.