Dieselskandal bei Reise- und Wohnmobilen: Versäumnisurteil gegen Stellantis!
Für Abgasmanipulationen an dem Wohnmobil „T65“ des Herstellers Sunlight mit einem für das Basisfahrzeug Fiat Ducato typischen 2,3-Liter-Motor mit 150 PS der Abgasnorm Euro 6b ist Stellantis (früher Fiat-Chrysler) gemäß der Vorschrift des § 826 BGB schadenersatzpflichtig geworden.
Der Abgasskandal hat längst die Reisemobilbranche und damit die Wohnmobile mit Dieselmotoren erfasst. Im Fokus stehen Manipulationen beim Konzern Fiat Chrysler Automobiles (FCA) und dessen Schwester CNH Industrial mit der Marke Iveco. Diese Hersteller sollen bei einer ganzen Reihe von kostspieligen Reise- und Wohnmobilen, Transportern und auch Diesel-Pkw in den Jahren 2014 bis 2019 mit Schummel-Software bei der Abgassteuerung gearbeitet haben. Mittlerweile hat sich der Name geändert. Die Automobilholding Stellantis N.V. ist im Januar 2021 aus der Fusion der Automobilkonzerne Groupe PSA (PSA) und Fiat Chrysler Automobiles (FCA) hervorgegangen. Der Konzern ist mit seinen 14 Marken der viertgrößte Automobilhersteller der Welt nach verkauften Fahrzeugen.
Jetzt hat Stellantis ein Versäumnisurteil vor dem Landgericht Schwerin (Urteil vom 15.09.2021, Az.: 1 O 143/21) kassiert. Für das Wohnmobil „T65“ des Herstellers Sunlight mit einem für das Basisfahrzeug Fiat Ducato typischen 2,3-Liter-Motor mit 150 PS der Abgasnorm Euro 6b erhielt der geschädigte Verbraucher Schadenersatz für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs resultieren. Den Streitwert legte das Gericht auf 51.500 Euro fest. Eine Nutzungsentschädigung legte das Gericht nicht fest.
Der Hintergrund: „Die Multijet-Motoren sind nach Ansicht der klageführenden Kanzlei so konstruiert worden, dass die gesetzlich vorgeschriebene Abgasnachbehandlung ca. 22 Minuten nach jedem Motorstart deaktiviert wird. Da der Testlauf auf einem Abgasprüfstand nur ca. 20 Minuten andauert, führt die Deaktivierung der Abgasnachbehandlung dazu, dass in der Prüfungssituation der Anschein vermittelt wird, das Fahrzeug würde den für Fahrzeuge der Euro 6-Klasse gesetzlich vorgeschriebenen Mindestgrenzwert für NOx-Mengen genügen“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.
Weiter heißt es in einer Medienmitteilung: „Tatsächlich beträgt das reale Abgas-Emissionsverhalten insgesamt das 19-Fache und übersteigt somit beträchtlich den Grenzwert. Darüber hinaus befindet sich im Motor ein Thermofenster, dass die Abgasreinigung über die Außentemperatur des Fahrzeugs regelt – sprich ausschaltet. Zudem sind die Warnmeldungen der On-Board-Diagnose (OBD) manipuliert.“
Dieselexperte Dr. Gerrit W. Hartung hat zuletzt eine großvolumige Klage gegen die Stellantis N.V. beim Landgericht Nürnberg-Fürth eingereicht. Bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug handelt es sich um ein Wohnmobil des Typs Carthago Chic C-Line I 4.8. Es wurde gemäß der Schadstoffklasse Euro 5 zertifiziert. Das Fahrzeug wurde zu einem Gesamtpreis von 67.700 Euro ausgewiesen. Zu diesem Zeitpunkt wies es eine Gesamtlaufleistung von 25.126 Kilometern auf. Dr. Gerrit W. Hartung fordert für den geschädigten Verbraucher Schadenersatz in Höhe von 65.030,96 Euro nebst Zinsen und die Erstattung von 2.642,40 Euro vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
Ein Hintergrund der Klage: „Indem die Abgasrückführungsrate außerhalb der gesetzlichen Prüfstandsbedingungen zurückgefahren wird, erhöht sich der Stickoxid-Ausstoß im realen Fahrbetrieb, sodass durch eine derartige Strategie im Ergebnis eine zugunsten des Prüfstandsbetriebs optimierende Emissionsstrategie verwendet wird. Dem entsprechend wird die technische Vorrichtung der Abgasrückführung als emissionsbeeinflussendes Konstruktionsteil durch gezielte software-seitige Steuerung genutzt, um die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen zu verringern, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind“, beschreibt Verbraucherschutzanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.