Mercedes-Dieselskandal: OLG Frankfurt legt Fokus auf die Kühlmittelverwendung beim Vierzylinder-Diesel OM651
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat sich einem Dieselverfahren insofern auf der Seite geschädigter Verbraucher im Dieselabgasskandal positioniert, als dass die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung bereits allein ausreicht, um Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu begehren.
Könnte das eine Wende im Dieselabgasskandal der Daimler AG rund um die Motorgruppe OM651 mit der Abgasnorm Euro 5 sein? Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 15.09.2021, Az: 3 U 36/21) hat ein entsprechendes Dieselverfahren an das Landgericht Frankfurt am Main (Az.: 2-08 O 244/20) zurückverwiesen.
„Das Berufungsurteil ist sehr verbraucherfreundlich. Zwar werden die Zinszahlungen im Rahmen des Schadensersatzes auf einen Maximalbetrag beschränkt, aber dafür positioniert sich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main bei der Bewertung illegaler Abschalteinrichtungen sehr verbraucherfreundlich. Denn dass der Bundesgerichtshof zuletzt vier Revisionen wegen der Verwendung von Thermofenstern an das jeweilige Oberlandesgericht zurückverwiesen beziehungsweise abgewiesen hat, bedeutet nicht ansatzweise, dass der Dieselabgasskandal der Daimler AG damit im Sinne des Herstellers beendet ist“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.
Beim Thermofenstern handelt es sich um eine temperaturabhängige Abgasreinigung in Dieselfahrzeugen der Marke Mercedes-Benz. Aber Thermofenster allein begründen noch keinen Schadenersatzanspruch, hat der Bundesgerichtshof herausgestellt. Diese Auffassung vertritt auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Zugleich argumentieren die Richter sehr verbraucherfreundlich hinsichtlich der zusätzlichen Verwendung der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung.
„Durch die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung wird bekanntlich die Abgasreinigung im Prüfbetrieb heruntergeregelt, um während des Prüfzyklus die Grenzwerte einzuhalten. Im Gegensatz dazu kann das streitgegenständliche Fahrzeug im Realbetrieb die Stickoxidemissionen gerade nicht einhalten. Damit wird diese Technologie eindeutig als unzulässige Abschalteinrichtung identifiziert“, beschreibt Verbraucherschutzanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.
Aus dieser Beobachtung folgt für das Gericht, dass die Verwendung der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung auf eine bewusste und gewollte Programmierung der Software, um die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand zu beachtet, aber im Straßenverkehr zu überschreiten, auf eine Prüfstandserkennung hinweise. Das wäre laut Gericht nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv sittenwidrig.
„Der große Vorteil für Verbraucher ist, dass Vorträge zu diesem Thema nicht ohne weiteres als ins Blaue hinein abgewiesen werden können. Selbst eine substantiierte Erwiderung der Beklagten kann einen Kläger als technischen Laien nicht dazu zwingen, den gegnerischen Vortrag beispielsweise mittels privatsachverständiger Hilfe zu widerlegen“, sagt Dieselexperte Dr. Gerrit W. Hartung. Dabei verweist er auf die vielbeachtete Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2020, die er mit einem kooperierenden BGH-Anwalt erstritten hat. Danach können Schadensersatzansprüche im Abgasskandal gegen die Daimler AG von einem Gericht nicht einfach als Behauptungen „ins Blaue hinein“ abgewiesen werden. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main bezieht sich ausdrücklich auf dieses bahnbrechende Urteil.
Für geschädigte Verbraucher hat dieses Revisionsverfahren erhebliche Vorteile im Dieselabgasskandal der Daimler AG rund um die Motorgruppe OM651 mit der Abgasnorm Euro 5. Daimler verteidigt sich zwar gern mit dem Hinweis, die Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung sei nicht nur auf dem Prüfstand, sondern auch auf der Straße aktiv, verkennt hier aber die Tatsache, dass dies auf der Straße nur theoretisch zutrifft. Wegen der Kühlmittel-Soll-Temperaturregelung unterliegen bereits viele Fahrzeuge der Daimler AG offiziellen Rückrufen des Kraftfahrt-Bundesamt. Damit eröffnet das Oberlandesgericht Frankfurt am Main neue Möglichkeiten für erfolgreiche Schadenersatzklagen gegen die Daimler AG.