Beschluss im Mercedes-Dieselskandal: Auch AMG mit dem Typ OM642 im Fokus
Das Oberlandesgericht Hamm wirft in einem Beschluss im Dieselskandal zahlreiche relevante Fragen auf, zu denen sich das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) nun äußern muss. Das kann für die Daimler AG ziemlich schmerzlich werden. Streitgegenständlich ist ein Mercedes-Benz E 350 CDI AMG mit dem Dieselmotor OM642 und der Abgasnorm Euro 5.
Nachdem die Daimler AG kürzlich vor dem Landgericht Stuttgart für einen Mercedes-Benz E 350 CDI 4MATIC BlueEFFICIENCY mit dem Dieselmotor OM642 und der Abgasnorm Euro 5 zu Zahlung von Schadenersatz verurteilt worden. Das Oberlandesgericht Hamm (Az.: I-28 U 188/19 zu Landgericht Bochum, Az.: 5 O 371/18) hat nun beschlossen, dass in einem Dieselverfahren zu einem Mercedes-Benz E 350 CDI AMG mit dem Dieselmotor OM642 und der Abgasnorm Euro 5 eine amtliche Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) eingeholt werden soll.
„Das Oberlandesgericht wirft zahlreiche relevante Fragen auf, zu denen sich die Behörde nun äußern muss. Das kann für die Daimler AG ziemlich schmerzlich werden und deren Rolle im Dieselabgasskandal nochmals in einem anderen Licht erscheinen lassen. Dass ein AMG-Modell im Fokus eines Dieselverfahrens steht, ist ohnehin eine Ausnahme, könnte aber nur der Anfang einer neuen Entwicklung sein“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde.
Unter anderem geht es um die Frage, ob bei dem streitgegenständlichen Typ eine Überprüfung des KBA im Hinblick auf das Vorliegen unzulässiger Abschalteinrichtungen und dabei insbesondere des Thermofensters und der Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung stattgefunden habe und wie das Ergebnis der möglichen Untersuchung gelautet habe. Ebenso muss sich das Kraftfahrt-Bundesamt äußern, ob bei der Typengenehmigung bekannt war, dass die Steuerung der Abgasrückführung unter anderem von der Außentemperatur abhängig ist. Das hat die Daimler AG vorgetragen.
Demzufolge sei regelmäßig in den Typgenehmigungsverfahren für Motoren unter anderem der Typen OM642 und OM651 ausdrücklich die temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung offengelegt worden. Daher muss das KBA nun erklären, welche Erkenntnisse es über die temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung besitzt und welche Auswirkungen diese Technik hat. Denn daraus leitet sich schließlich der Wirkbereich des Thermofensters ab, erklärt Anwalt Dr. Gerrit W. Hartung. Das werde nochmals neues Licht auf das Thermofenster werfen und könne die Daimler AG erheblich unter Druck setzen.
Als sehr interessant bezeichnet der Dieselanwalt auch die Fragen des Gerichts zur Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung. Es heißt: „Unstreitig verfügt der Typ des streitgegenständlichen Fahrzeugs über ein geregeltes Kühlmittelthermostat. Dies reduziert die Solltemperatur des Kühlmittels (phasenweise) im Warmlauf und verzögert damit die Erwärmung des Motors. Dadurch ergeben sich niedrigere Verbrennungstemperaturen im Zylinder, was zu einer Senkung der entstehenden Stickoxide führt. Das KBA muss nun auf den Vortrag des geschädigten Verbrauchers antworten, demzufolge in dem Fahrzeug eine Steuerung verbaut ist, die erkenne, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüstand befinde und damit die Kühlflüssigkeit so stark gekühlt werde, dass die zulässigen Grenzwerte eingehalten würden, aber dass diese Regelung der Kühlmittel außerhalb der Prüfstandsbedingungen ausgeschaltet sei.“
Daher müsse das KBA laut Oberlandesgericht nun Stellung beziehen, ob dieser Vortrag zutreffe, ob die NOx-Grenzwerte des Neuen Europäischen Fahrzyklus in dem streitgegenständlichen Fahrzeug auch ohne das geregelte Kühlmittelthermostat eingehalten würden, ob das geregelte Kühlmittelthermostat auch außerhalb der Bedingungen des Neuen Europäischen Fahrzyklus zum Einsatz komme und ob diese Regelung zu einer Reduktion der Emission beim Kaltstart auch im Realbetrieb führe.
Dr. Hartung betont: „Letztlich läuft der gesamte Beschluss auf die alles entscheidende Frage heraus: Handelt es sich bei dieser Regelung nach Auffassung des KBA um eine unzulässige Abschalteinrichtung und wäre die Typgenehmigung auch bei Kenntnis von dem geregelten Kühlmittelthermostat erteilt worden? Wenn die Antworten, wie man erwarten darf, negativ sind, wird es eng für die Daimler AG. Dem Hersteller gehen dann die Argumente aus, mit denen sie bisher versucht hat, sich aus der Verantwortung zu stehlen.“