Mercedes Abgasskandal: Gutachten stellt Abschaltmanipulationen fest!
Die Daimler AG steht vor einem ganz großen Problem: Der Bayerische Rundfunk berichtet über ein Gutachten über die Motorsteuerungs-Software eines Mercedes-Benz E250 CDI Euro 5 mit dem bekannten Skandalmotor OM651. Der Gutachter betont deutlich, dass die Motorsteuerung „die niedrige benötigte Motorleistung“ auf dem Teststand erkenne und damit die Abgaswerte manipuliere.
Es ist eine gigantische Nachricht im Dieselskandal kurz vor Weihnachten: Der Bayerische Rundfunk berichtet über ein Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart im Daimler-Dieselskandal. Streitgegenständlich ist ein Mercedes-Benz E250 CDI Euro 5 mit dem bekannten Skandalmotor OM651 (Baujahr 2013). Der Fahrer wirft Daimler vor, eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut zu haben. Das Besondere daran: Das Gericht hat einen IT-Experten beauftragt, die Motorsteuerungs-Software des Fahrzeugs zu prüfen. Das Ergebnis kommt der Götterdämmerung für die Daimler AG gleich.
Der Gutachter hat die Motorsteuerung analysiert und ermittelt, dass das Fahrzeug „die niedrige benötigte Motorleistung“ auf dem Teststand erkenne, wenn der Prüfzyklus (NEFZ) durchfahren werde. Die Motorsteuerung regele dann die Kühlmittelsolltemperatur auf 70 Grad Celsius herunter – statt der üblichen 100 Grad. Die abgesenkte Kühlmitteltemperatur führt zu besseren NOx-Werten, da beim getesteten Fahrzeug die Menge schädlicher Abgase auf dem Prüfstand verringert wird.
„Die Deaktivierung des vermeintlichen sauberen Modus bei 70 Grad Celsius erfolgt nach fünf Sekunden Betrieb über den formellen NEFZ-Bedingungen und dann beibehalten des umweltschädlichen Modus für 54 Minuten. Außerdem hat der Gutachter festgestellt, dass auf dem Prüfstand, anders als im Realbetrieb, eine dauerhafte Öffnung der Kühlerjalousie stattfindet und damit weitere NOx-Reduzierung bewirkt“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung. Seine Kanzlei Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde.
Der Bayerische Rundfunk zitiert den Abgasexperten Professor Kai Borgeest von der Technischen Hochschule Aschaffenburg. Er sieht in dem Gutachten einen Beleg für eine unzulässige Abgasmanipulation: „Die nachgewiesene Abschalteinrichtung kann dazu führen, dass die Stickoxid-Emissionen im Straßenverkehr die am Prüfstand gemessenen Emissionen erheblich übersteigen.“ Es sei nicht erkennbar, dass diese Funktion zum Schutz des Motors notwendig ist. Daher sei sie unzulässig.
Im Kern geht es dabei auch um die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung, die das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) in einem Rückruf bereits bemängelt hat. Die Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung stellt eine unzulässige Abschalteinrichtung dar, die erkennt, wenn sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet. Trifft dies zu, sorgt diese Regelung dafür, dass der gesamte Kühlkreislauf möglichst lange kühl gehalten wird. „Abschalteinrichtungen wie Thermofenster bei der Abgasreinigung in Dieselfahrzeugen oder eben auch Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelungen sind grundsätzlich unzulässig. Das hat der Europäische Gerichtshof EuGH sehr deutlich klargemacht. Entscheidend bei dem EuGH-Verfahren ist die Aussage, dass auch temperaturabhängige Abgaskontrollsysteme unzulässige Abschalteinrichtungen darstellen“, sagt Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.
Dazu kommt vor allem: „Der Gutachter hat nicht nur die Software des streitgegenständlichen Wagens ausgelesen, sondern stellt auch fest, dass alle Dokumentationen, die er sich besorgt hat, die gleichen Werte und Angaben beinhalten. Das bezieht sich auf zahlreiche Euro 5- und Euro 6-Diesel der Daimler AG. Damit hat das Gutachten ganz weitreichende Auswirkungen im Dieselskandal“, betont Anwalt Dr. Gerrit W. Hartung. „Daimler kann sich kaum noch aus der Verantwortung stehlen. Viele Mercedes-Benz-Diesel sind mit illegalen Abschalteinrichtungen ausgestattet. Besonders betroffen sind die Motoren des Typs OM651, OM622, OM626, OM654, OM642 und OM656. Geschädigte Verbraucher haben also weitreichende Chancen, von der Daimler AG wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung im Wege der Betrugshaftungsklage Schadensersatz zu erhalten und das Skandalfahrzeug abzugeben. Diese Möglichkeit sollten geschädigten Verbraucher nutzen!“
Dr. Gerrit W. Hartung verweist auch auf ein anderes Gutachten des Stuttgarter Landgerichts: Selbst unter idealen Betriebsbedingungen hinsichtlich Prüfsituation und Wetter hält eine Mercedes Benz E-Klasse 350 CDI die Stickoxid-Grenzwert nicht ein. Die Fahrzeuge entsprechend lediglich auf dem Prüfstand den vorgegebenen Grenzwerte für Stickoxid, während sie auf der Straße ein Vielfaches des Erlaubten ausstoßen. Anfang 2020 hatte das LG Stuttgart das Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben, um klären zu lassen, ob der Stickoxidausstoß einer streitgegenständlichen E-Klasse über dem gesetzlich zugelassen Grenzwert für Euro 5-Diesel von 180 Milligramm pro Kilometer liegt.