VW-Abgasskandal um EA288: Landgericht Darmstadt mit nächstem „VW-Dieselgate-2.0-Urteil“
Das Landgericht Darmstadt hat der Volkswagen AG die nächste herbe Niederlage im Dieselgate 2.0 beigebracht. Einmal mehr wurde der Autobauer wegen der Abgasmanipulationen am Euro 6-Skandalmotor EA288 wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB verurteilt. Das neuerliche Urteil zeigt, dass Dieselgate 2.0 noch am Anfang steht, während Dieselgate 1.0 zusätzlich auch noch lange nicht erledigt ist.
Dieselgate 2.0 und kein Ende für die Volkswagen AG: Mehr und mehr Landgerichte entscheiden gegen den Autohersteller und bestätigen geschädigten Verbrauchern, dass ihnen durch den Kauf eines Fahrzeugs mit dem Euro 6-Dieselmotor EA288 – dem Nachfolgemotor des Euro 5-Dieselmotors EA189 – ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist und sich die Volkswagen AG nach § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung haftbar gemacht hat.
Nun hat auch das Landgericht Darmstadt (Urteil vom 24.11.2020, Az.: 9 O 305/18) die Volkswagen AG verurteilt, einen VW Golf VII 1.6 TDI mit dem Skandalmotor EA288 zurückzunehmen und Schadensersatz zu zahlen. Die Volkswagen AG wird verurteilt, an die Klägerin 21.185,19 Euro nebst Zinsen in Höhe fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28. November 2020 sowie 742,84 Euro nebst Zinsen in Höhe fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26. Oktober 2020 für die durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin entstanden Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung zu zahlen und die Klägerin von weiteren 500 Euro freizustellen.
Im Motorsteuergerät des Fahrzeugs ist eine sogenannte Fahrkurve implementiert, die erkennt, ob sich das Fahrzeug in einem gesetzlich vorgeschriebenen Prüfzyklus, etwa den neuen europäischen Fahrzyklus (NEFZ) befindet, wie alle Fahrzeuge mit dem Motor des Typs EA288, die im Zeitraum 2007 bis November 2015 produziert wurden. „Die Kammer geht davon aus, dass der Motor des Klägerfahrzeugs so programmiert ist, dass nicht nur der Prüfstand erkannt wird, sondern außerdem eine Abschalteinrichtung enthält, die im Prüfstand in einen anderen Modus schaltet, sodass eine Abgasrückführung mit niedrigerem Stickoxidausstoß stattfindet als im normalen Fahrbetrieb, ähnlich wie bei den bekannten Dieselmotoren des Typs EA189“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde.
In der Sache hat das Landgericht Darmstadt entschieden, dass allein das Vorhandensein der Zykluserkennung auf eine unzulässige Abschalteinrichtung hindeutet. Für führende Experten stellt jedenfalls auch die Zykluserkennung eine unzulässige Abschalteinrichtung dar. Denn damit erkennt das Fahrzeug, ob es sich im Abgas-Testverfahren befindet und reguliert die Einspritzmenge der Abgasreinigung mittels AdBlue.
Ebenso bezieht sich das Gericht auf die sekundäre Darlegungslast. Der Kläger hat sehr konkret zu dem in seinem Fahrzeug eingebauten Motor und den behaupteten vorliegenden Abschalteinrichtungen und deren Funktionsweise vorgetragen. „Es ist daher Sache der Beklagten, substantiiert zu bestreiten. Dazu gehört vor allem die Darlegung, aus welchen technischen Gründen die Applikation einer Fahrkurve erfolgt ist, wenn nicht im Zusammenhang mit einer Abschalteinrichtung. Denn es wäre lebensfremd anzunehmen, dass ein Autokonzern grundlos eine völlig nutzlose Softwarefunktion verwendet. War die Prüfstandserkennung völlig ohne weitere Funktion, so hätte sie auch nicht eingebaut werden müssen. Dies hat die Beklagte nicht zu erklären vermocht. Sie hat zwar auf den Hinweis der Kammer umfangreich vorgetragen, die technischen Gründe für die Applikation der Fahrkurve wurden aber nicht dargelegt. Es wurde nur pauschal vorgetragen, die hinterlegte Fahrkurve nehme keinen Einfluss auf die Emissionen, das bloße Vorhandensein einer Prüfstandserkennung sei nicht unzulässig. Dies reicht angesichts der vorgetragenen Anhaltspunkte nicht aus, um den qualifizierten Vortrag der Klägerin wirksam zu bestreiten“, schreibt das Gericht.
Für den Rechtsanwalt ist daher klar: „Die Gerichte haben einmal mehr herausgestellt, dass auch der Euro-Dieselmotor des Typs EA288 mitten im VW-Dieselskandal steht. Die Volkswagen AG als Herstellerin wird immer öfter im Dieselgate 2.0 für vorsätzliche sittenwidrige Schädigung verurteilt. Käufer müssen die massiven Wertverluste und möglicherweise drohenden Fahrverbote im Dieselskandal nicht einfach hinnehmen, sondern können eben auf dem Wege der Betrugshaftungsklage ihre Fahrzeuge zurückgeben und sich dafür entschädigen lassen. Der Weg zu einer wirtschaftlich guten Lösung für Dieselfahrer im Dieselgate 2.0 führt also nur über die Gerichte!“
Anwalt Dr. Gerrit W. Hartung führt weiter aus: „Beim aktuellen VW-Dieselgate 2.0 sprechen wir von vielen weiteren Millionen Fahrzeugen. VW-Motoren mit dem Kürzel EA288 finden sich in zahlreichen Baureihen aller Marken des Volkswagen-Konzerns. Die Dieselmotoren sind nahezu in jedem Dieselfahrzeug als 1.4 TDI, 1.6 TDI oder 2.0 TDI seit dem Jahr 2015 flächendeckend verbaut worden. Der Schaden geht in die Milliarden und kann die Ausmaße, die wir vom ersten Skandalmotor EA189 kennen, noch weit in den Schatten stellen“, sagt Anwalt Dr. Gerrit W. Hartung. Die Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH hat eine spezielle Website zur neuen EA288-Thematik eingerichtet und listet dort alle Modelle von Audi, VW, Seat und Skoda auf, die vom VW-EA288-Abgasskandal betroffen sind.