Audi Abgasskandal: Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung bei VW-Motorentyp EA189 im Audi A4 auch bei Kauf nach Kenntnis!
Das Landgericht Ingolstadt hat die Audi AG verurteilt, an einen geschädigten Verbraucher 13.794 Euro nebst Zinsen gegen Rücknahme eines Audi A4 Avant 2.0 TDI zu zahlen. Das Besondere: Der Kläger kaufte den Audi A4 Avant gebraucht im Januar 2016 und somit knapp vier Monate nach dem Bekanntwerden des Abgasskandals. Das Landgericht unterscheidet in seiner Begründung nämlich zwischen den verschiedenen Marken des Volkswagen-Konzerns!
Einmal mehr hat ein Gericht klargestellt, dass Spätkäufer von manipulierten Dieselfahrzeugen keine Nachteile in Schadensersatzklagen gegen Autohersteller haben. Das Landgericht Ingolstadt (Urteil vom 10.11.2020, Az.: 81 O 571/19) hat die Audi AG verurteilt, an einen geschädigten Verbraucher 13.794 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. April 2019 gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs Audi A4 Avant 2.0 TDI zu zahlen. Das von der Beklagten als 100-prozentiger Tochter der Volkswagen AG entwickelte und hergestellte, erstmals am 30. Januar 2009 zugelassene Fahrzeug ist mit einem von der Konzernmutter entwickelten Motor mit der internen Typbezeichnung EA189 ausgestattet. Es verfügt über eine EG-Typgenehmigung der Abgasnorm Euro 5. Der Kläger kaufte den Audi A4 Avant gebraucht für 28.150 Euro im Januar 2016 und somit knapp vier Monate nach dem Bekanntwerden des Abgasskandals.
„Das ist ein hochrelevantes Urteil für alle Betroffenen von Dieselgate 1.0 rund um den Skandalmotor EA189, da es gegen die Auffassung des Bundesgerichtshof steht, der in einem ähnlich gelagerten Fall den Anspruch auf Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zurückgewiesen hat, da sich nach Ansicht des Senats ab der Veröffentlichung der ad-hoc-Mitteilung am 22. September 2015 durch die Volkswagen AG deren Verhalten derart geändert haben soll, dass ab diesem Zeitpunkt nicht mehr von einer Sittenwidrigkeit ausgegangen werden könne. Dem sind die Gerichte bislang gefolgt. Das Landgericht Ingolstadt hat nun eben die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung trotz des Spätkaufs bestätigt und die Einrede der Verjährung nicht anerkannt“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.
Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde.
Der Rechtsanwalt stellt das schlagkräftige Argument des Gerichts heraus, um auch beim Kauf nach Bekanntwerden noch von vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung auszugehen. Der Abgasskandal sei in der Phase des Erwerbs des Fahrzeugs eng mit der Volkswagen AG verbunden gewesen und nicht mit der Audi AG in Verbindung gebracht worden. Das Gericht vertrete die Auffassung, dass die Maßnahmen des Mutterkonzerns, also der Volkswagen AG, unter Hinweis auf die Betroffenheit zahlreicher weiterer Fahrzeuge des gesamten Konzerns nicht ausreichend gewesen seien, um auch für Audi das Verdikt der Sittenwidrigkeit entfallen zu lassen. Dies gelte nach Auffassung des Gerichts umso mehr, als die Beklagte gerichtsbekannt über den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Fahrzeugs hinaus bis zum Abschluss des Kaufvertrags in zahlreichen weiteren von ihr produzierten und entwickelten Fahrzeugen, in denen sich von ihr entwickelte und produzierte Motoren befanden, unzulässige Abschalteinrichtungen verwendet hat. Vor diesem Hintergrund scheint die Annahme eines Gesinnungswechsels, der das Verdikt der Sittenwidrigkeit entfallen lässt, nicht darstellbar.
„Daher sollten geschädigte Verbraucher sich von den Diskussionen um eine mögliche Verjährung ihrer Schadensersatzansprüche nicht davon abhalten lassen, ihre Fälle individuell prüfen zu lassen. Je nach Situation sind Betrugshaftungsklagen absolut erfolgversprechend, wie das Urteil am Landgericht Ingolstadt, immerhin das Heimatgericht der Audi AG, zeigt“, betont Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.
Das Gericht hat hinsichtlich der Manipulationen am EA189 nochmals klargestellt: „Das streitgegenständliche Fahrzeug ist unstreitig vom sogenannten Abgasskandal betroffen. Bereits im Zeitpunkt der Übergabe war eine Software in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbaut, die so programmiert war, dass sie den Betrieb des Fahrzeugs auf dem Prüfstand im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) erkannte und die Abgasbehandlung in den sogenannten Modus 1 versetzte, bei dem eine erhöhte Rückführung und Verbrennung von Abgasen stattfand, während bei Fahrten auf der Straße dieser Modus abgeschaltet wurde (Modus 0). Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) stellte fest, dass derart ausgestattete Fahrzeuge mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet seien und ordnete als nachträgliche Nebenbestimmung für die jeweils erteilten Typengenehmigungen an, dass die Beklagte die unzulässige Abschalteinrichtung entfernen sowie geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen habe.“