Audi-Dieselskandal rund um EA897 geht in die nächste Runde
Bisher hatte es unter dem Code 23X6 eine Rückrufaktion für die Fahrzeuge Audi A7 und A8 gegeben. Bei diesen Modellen ist der Einsatz illegaler Abschalteinrichtungen erwiesen. Nun scheint es, als seien wesentlich mehr Audi-Diesel betroffen, und zwar die Dreiliter-TDI über so gut wie alle Baureihen hinweg. Eigentümer der betroffenen Audi-Modelle sollten die weitere Entwicklung also genau beobachten und gegebenenfalls den Weg der Betrugshaftungsklage in Erwägung ziehen.
Der Dieselskandal der Audi AG weitet sich aus. Unter dem Code 23X6 hat das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) den Rückruf diverser Audi-Modelle mit V-TDI Motoren angeordnet. Grund für den Rückruf ist, dass das KBA eine unzulässige Abschalteinrichtung beziehungsweise eine unzulässige Reduzierung des Emissionskontrollsystems festgestellt hat. Audi muss diese Funktionen entfernen. Das ist insofern eine Neuentwicklung, als dass bis zuletzt unter dem Rückruf-Code 23Z2 eine freiwillige Servicemaßnahme von Audi bei vielen Modellen durchgeführt wurde. In den Schreiben der Audi AG war in Zusammenhang mit dem Code 23Z2 noch keine Rede von illegalen Abschalteinrichtungen im Dieselskandal.
„Dies hat sich nun geändert. Bei der neuen Maßnahme handelt es sich nicht mehr um eine freiwillige Servicemaßnahme, sondern um einen verpflichtenden Rückruf. Inhalt der Maßnahme ist nun, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu entfernen. Das bedeutet kurz gesagt: Die in Frage stehenden Autos sind vom Diesel-Abgasskandal betroffen. Bisher hatte es unter dem Code 23X6 eine Rückrufaktion für die Audi A7 und A8 der Baujahre 2009 bis 2013 sowie für den A8 mit dem Achtzylinder-Dieselmotor Baujahr 2013 bis August 2017 gegeben. Bei diesen Modellen ist der Einsatz illegaler Abschalteinrichtungen erwiesen“, erläutert der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde.
Nun scheint es, als seien wesentlich mehr Audi-Diesel betroffen, und zwar die Dreiliter-TDI über so gut wie alle alle Baureihen hinweg. Das wären damit Audi A4 (ab Baujahr 2009), Audi A5 (ab Baujahr 2011), Audi A6 (ab Baujahr 2011), Audi A7 (ab Baujahr 2011), Audi A8 (ab Baujahr 2010), Audi Q5 (ab Baujahr 2014), Audi SQ5 (ab Baujahr 2015) und Audi Q7 (ab Baujahr 2008). Im Mittelpunkt des Audi-Dieselskandals steht der Motor EA897. Die Baureihe umfasst V6-Dieselmotoren mit 3,0 Litern Hubraum und wird seit 2010 in verschiedenen Fahrzeugen des Volkswagen-Konzerns eingesetzt, wobei er von der Volkswagen-Tochter Audi AG hergestellt und zugeliefert wird. Damit sind vor allem Dieselfahrzeuge der Oberklasse betroffen.
So hält das Landgericht Oldenburg die vom KBA bemängelte sogenannte Aufheizstrategie für eine unzulässige Abschalteinrichtung. Die Funktion führt bekanntlich dazu, dass der Abgasausstoß im Prüfmodus verringert wird, während im realen Straßenverkehr deutlich mehr Emissionen in die Luft geblasen werden. „Diese Funktion ist illegal und auch nicht ausnahmsweise aus Motorschutzgründen zulässig, führte das Gericht mit Bezug zu einem Urteil des Europäischen Gerichshofs aus. Der Kläger ist damit also vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden und hat daher Anspruch auf Schadenersatz nach § 826 BGB“, sagt Dr. Hartung.
Viele Gerichte haben zum EA897 bereits verbraucherfreundlich geurteilt. Das Landgericht Oldenburg beispielsweise hatte Mitte Mai 2020 bereits die Audi AG wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB (Az. 4 O 106/19) verurteilt. Dabei ging es um einen Audi SQ5 3.0 TDI mit einem EA897-Motor, bei dem nach Ansicht des Gerichts mit einer Reihe von unzulässigen Abschalteinrichtungen das Abgaskontrollsystem manipuliert wurde. Das Gericht sah die vorsätzliche Schädigung als erwiesen an. Das Landgericht Offenburg (Urteil vom 07.05.2020, Az.: 4 O 106/19) wiederum hatte die Volkswagen AG für einen Audi SQ5 competition quattro 3.0 TDI mit dem EA897 verurteilt. Das streitgegenständliche Fahrzeug ist mit einem Dreiliter-Sechszylinder-Dieselmotor ausgerüstet, der eine Leistung von 326 PS erreicht. Die Begründung des Gerichts lautet unter anderem: „Mit dem Kaufvertragsschluss hat der Kläger ein mangelhaftes Fahrzeug mit einem manipulierten Motor erworben und somit ein für ihn wirtschaftlich nachteiliges Geschäft abgeschlossen. Der Kläger hat nicht das bekommen, was ihm aus dem Vertrag zustand, nämlich ein technisch einwandfreies, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Fahrzeug.“
„Dass Abschaltvorrichtungen grundsätzlich illegal sind, wenn sie zu erhöhtem Emissionsausstoß im realen Straßenbetrieb führen, hat die Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof Eleanora Sharpston in einem vielbeachteten Verfahren am 30. April 2020 klargemacht. Diese Vorrichtungen seien nur in ganz engen Grenzen und nur zum unmittelbaren Schutz des Motors erlaubt“, führt Anwalt Dr. Gerrit W. Hartung aus. Eigentümer der betroffenen Audi-Modelle sollten die weitere Entwicklung also genau beobachten und gegebenenfalls den Weg der Betrugshaftungsklage in Erwägung ziehen.