BMW-Dieselskandal: Thermofenster wird vom EuGH überprüft!
Für den bayerische Autohersteller BMW geht der Diesel-Abgasskandal in die nächste Runde. Ein Stuttgarter Richter hat im Falle eines BMW-Verfahrens die Frage, ob temperaturgesteuerte Abschalteinrichtungen zulässig oder nicht, an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) verwiesen. Für den Fall, dass die europäischen Richter die technischen Maßnahmen als unzulässig erklärten, wäre dies ein Meilenstein in den Verfahren gegen die BMW AG.
Auch am deutschen Premiumhersteller BMW scheint der Dieselskandal nicht spurlos vorbei zu gehen. Der bayerische Autobauer hat im Diesel-Abgasskandal bereits Niederlagen vor Landgerichten erlitten, und kürzlich hat das Kraftfahrt-Bundesamt bereits den Rückruf für die Modelle BMW 750 3.0 Diesel Euro 6 und BMW M550 3.0 Diesel Euro 6 angeordnet. Mit Urteil vom 31. März 2020 verurteilte beispielsweise das Landgericht Düsseldorf die BMW AG wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei einem BMW X1 mit der Schadstoffklasse Euro 5 zu Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (Az.: 7 O 67/19).
Der geschädigte Verbraucher erhielt rund 21.000 Euro Schadensersatz. Erstmals wurde BMW damit die „vorsätzliche sittenwidrige Schädigung“ nicht nur vorgeworfen, sondern zumindest erstinstanzlich auch nachgewiesen. Wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen machte er die Rückabwicklung des Kaufvertrages im Wege des großen Schadensersatzes geltend. Diese unzulässige Abschalteinrichtung liegt laut Gericht in einer Software-Programmierung in Gestalt des sogenannten „Thermofensters“. Auch beim Landgericht Duisburg (09.06.2020, AZ: 1 O 334/19) hatte BMW eine weitere deutliche Niederlage erlitten. Streitgegenständlich war ein gebrauchter BMW 116d, den die geschädigte Verbraucherin 2016 als Gebrauchtwagen für etwa 16.500 Euro und einer Laufleistung von 45.500 Kilometern erworben hatte.
Jetzt geht der BMW-Dieselskandal in die nächste Runde. Es geht um die Frage: Sind temperaturgesteuerte Abschalteinrichtungen zulässig oder nicht? In einem BMW-Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart hat der als sehr verbraucherfreundliche bekannte Richter Dr. Fabian Richter Reuschle diese Frage zur Vorabentscheidung über die Zulässigkeit des sogenannten Thermofensters dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt. Im Kern soll sich die Klärung auf die Auslegung des Begriffs „Abschalteinrichtung“, Auslegung des Begriffs „normale Betriebsbedingungen“, Zulässigkeit temperaturabhängiger Emissionsminderungsstrategien, Auslegung des Begriffs „notwendig“ im Sinne des Ausnahmetatbestandes, Auslegung des Begriffs „Beschädigung“ im Sinne des des Ausnahmetatbestands und Rechts- und Sanktionswirkungen der Verstöße gegen EU-Recht beziehen.
Streitgegenständlich ist ein BMW X3 (Erstzulassung 2012), der laut dem Kläger über eine temperaturgesteuerte unzulässige Abgassteuerung – also ein Thermofenster – verfügt. „Die Motorsoftware der Fahrzeuge steuert die Effektivität der Abgasreinigung in Abhängigkeit von der Außentemperatur. Bei der Vorrichtung würden jedoch gefährliche Stickoxide in den Abgasen nur in einem Temperaturbereich zwischen 20 bis 30 Grad Celsius reduziert, so der Vorwurf. Außerhalb dieses Temperaturbereichs funktioniere die Abgasminderung weniger gut beziehungsweise gar nicht, was zur Folge hat, dass diese Fahrzeuge die zulässigen Schadstoffgrenzen für Euro 5 und Euro 6 um ein Vielfaches überschreiten“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (www.hartung-rechtsanwaelte.de). Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde.
Das Delikate an dem Fall: „Die Klagepartei begehrt von der Rechtsschutzversicherung als der Beklagten Deckungsschutz aus einer bestehenden Rechtsschutzversicherung für ihre beabsichtigte Rechtsverfolgung gegenüber der BMW AG im Zusammenhang mit einem dieselmanipulierten Fahrzeug. Ob der Versicherer eine Deckungszusage geben muss, hängt nach Ansicht des Gerichts von der Klärung der Zulässigkeit des Thermofensters und von den möglichen Sanktionen ab. Dabei genüge es für die Verurteilung des Versicherers, wenn eine zumindest gleich große Wahrscheinlichkeit für einen positiven oder negativen Ausgangs des Rechtsstreits besteht“, erklärt Dr. Hartung.
„BMW hatte immer erklärt, dass unerlaubte Abschalteinrichtungen, die der gezielten Manipulation von Abgasemissionen dienten, bei Fahrzeugen der BMW Group nicht verwendet werden. Für den Fall, dass die europäischen Richter die technischen Maßnahmen als unzulässig erklärten, wäre dies ein Meilenstein in den Verfahren gegen BMW. Schadenersatzansprüche könnten dann deutlich leichter geltend gemacht werden – vor allem vor dem Hintergrund, dass eben bereits ein Rechtschutzversicherer in die Pflicht genommen worden wäre. Das würde zahlreiche Klagen wesentlich vereinfachen, weil geschädigte Verbraucher sich auf die Deckungspflicht des Rechtschutzversicherers berufen könnten“, betont Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.
Er sagt: „Schon die bisherigen verbraucherfreundlichen Urteile können anderen BMW-Besitzern, die durch die Abgasmanipulationen geschädigt sind, eindeutig Mut machen. Sie sollten sich nicht davor scheuen, rechtliche Schritte gegen den Hersteller wegen Betrugshaftung einzuleiten und eine weitreichende finanzielle Entschädigung bei der Rückgabe ihrer Fahrzeuge der Abgasnorm Euro 5 und Euro 6 zu erhalten. Besonders interessant ist dabei auch die Tatsache, dass das Landgericht Duisburg keinerlei Wert auf die Zusendung eines offiziellen Rückrufschreibens gelegt hat und auch keinen Gutachter bestellt hat. Wenn der EuGH jetzt entscheidet, dass temperaturgesteuerte Abschalteinrichtungen bei BMW unzulässig sind, setzt das den Hebel mit großer Wucht nochmals neu an“, betont Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.