Neue EU-Regeln sollen Dieselgate 3.0 verhindern – Schadensersatz trotzdem weiterhin geltend machen
Die Europäische Union hat neue Regeln eingeführt, für Unabhängigkeit und mehr Qualität bei der Prüfung, bevor ein Fahrzeug in den Verkehr gebracht wird, zu sorgen. Die EU-Kommission kann damit EU-weite Rückrufe anordnen und Sanktionen in Höhe von bis zu 30.000 Euro pro Fahrzeug verhängen. Dies erfolgte als Reaktion auf den Diesel-Abgasskandal.
Mit Blick auf den Diesel-Abgasskandal greift die Europäische Union nun endlich durch. Anfang September 2020 treten neue Vorschriften in Kraft, nach denen neue Fahrzeugtypen in der EU genehmigt werden müssen. „Die neuen Regeln sorgen für Unabhängigkeit und mehr Qualität bei der Prüfung, bevor ein Fahrzeug in den Verkehr gebracht wird. Sie verbessern die Kontrolle von Fahrzeugen, die bereits auf dem Markt sind, und stärken das System durch eine europäische Aufsicht. Die EU-Kommission kann damit EU-weite Rückrufe anordnen und Sanktionen in Höhe von bis zu 30.000 Euro pro Fahrzeug verhängen. Die Kommission hatte die Verordnung im Zuge des Dieselgate-Skandals vorgeschlagen, bei dem Autohersteller durch Manipulationen gesetzlich vorgegebene Grenzwerte für Autoabgase umgangen hatten“, heißt es bei der EU.
Thierry Breton, Kommissar für den Binnenmarkt, führte dazu aus: „Die Europäerinnen und Europäer erwarten zu Recht, dass sie die saubersten und sichersten Fahrzeuge fahren können. Dies setzt strengste Kontrollen an Fahrzeugen voraus, die in Verkehr gebracht werden und auf unseren Straßen fahren. Es erfordert auch eine echte Durchsetzung und Überwachung auf europäischer Ebene.“ Und weiter: „Diese Reformen ergänzen unsere Bemühungen um sauberere und sicherere Mobilität, die vor dem Hintergrund der Krise noch stärker zukunftsorientierte Investitionen in Infrastruktur und Innovation erfordern. Unsere Bemühungen, das Vertrauen der Verbraucher wiederherzustellen, den Binnenmarkt zu stärken und die langfristige Lebensfähigkeit und globale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie zu unterstützen, gehen Hand in Hand.“
Das folgt auch nationalen Versäumnissen. Tatsächlich lieferte die Abgas-Untersuchungskomission des Deutschen Bundestages 2017 laut einem Medienbericht Hinweise auf ein Kontrollversagen der Bundesregierung und des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA). So sagten etwa KBA-Mitarbeiter aus, dass man zum damaligen Zeitpunkt wohl auch gar nicht die technischen Möglichkeiten gehabt habe, eine Überprüfung illegaler Abgas-Abschalteinrichtungen vorzunehmen.
Im Kern geht es bei den EU-Regelungen um die Unabhängigkeit und Qualität der Prüfungen vor dem Inverkehrbringen eines Fahrzeugs, Kontrollen bereits auf dem Markt befindlicher Fahrzeuge (und die Einführung von Schutzmaßnahmen gegen nicht konforme Fahrzeuge) und die europäische Aufsicht durch Einhaltungs- und Konformitätsprüfungen in Laboratorien oder auf der Straße. Die Erklärung der Kommission: „Im Prozess der Typgenehmigung bescheinigt die Prüfstelle, dass ein Fahrzeug alle Anforderungen erfüllt. Insbesondere, ob die Hersteller das EU-Recht, einschließlich der Emissionsgrenzwerte, die in separaten Vorschriften festgelegt sind, kontinuierlich einhalten.“
„Damit erhöht die Europäische Union natürlich den Druck auf die Automobilhersteller, wirklich rechtskonforme und umweltfreundliche Fahrzeuge zu bauen und keine Instrumente mehr zur Manipulation der Abgaswerte einzusetzen, vor allem illegale Abschalteinrichtungen. Damit soll einem Dieselgate 3.0 vorgebeugt werden“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde.
Er weiß aber auch: „Dieselgate 1.0, Dieselgate 2.0 und auch Benzingate 1.0 sind in vollem Gange und entwickeln sich fast täglich weiter. Es sind allein in Deutschland zig Millionen Fahrzeuge unterwegs, die durch illegale Abschalteinrichtungen die Abgaswerte manipulieren und damit nicht nur der Umwelt schwere Schäden zufügen, sondern auch den Eigentümern massive wirtschaftliche Nachteile bringen. Ihre Fahrzeuge sind viel weniger wert, und es bestehen Risiken, dass die Fahrzeuge stillgelegt werden.“ Anwalt Dr. Gerrit W. Hartung plädiert daher dafür, dass Fahrer von Euro 5- und Euro 6-Dieseln und bestimmter Benziner – derzeit stehen Audi und Porsche im Feuer – den Weg der Betrugshaftungsklage nach § 826 BGB forcieren und gerichtlich Schadensersatz für die erlittenen wirtschaftlichen Nachteile erhalten. „Die Möglichkeiten, Autohersteller wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung haftbar zu machen, sind weiterhin nicht nur ausgesprochen gut, sondern verbessern sich nach und nach. Auch der schon ältere EA189-Komplex bei der Volkswagen AG ist noch nicht ausgestanden, und selbst beim Kauf nach Kenntnis bestehen Chancen der Rückabwicklung. Und der Abgasskandal rund um den vermeintlich sauberen VW-Diesel EA288 der Abgasnorm Euro 6 ist gerade erst gestartet und wird wahrscheinlich noch eine größere Dimension als beim Euro 5-Motorentyp EA189 annehmen!“