Diesel-Abgasskandal: Schlupflöcher für Daimler AG werden geschlossen
Daimler kann sich im Diesel-Abgasskandal nicht länger verstecken und zur Funktionsweise von Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung schweigen. Das hat das Oberlandesgericht Köln nochmals bestätigt. Daher erhöhen sich die Chancen für Mercedes-Diesel-Besitzer mehr und mehr, ihr Verbraucherrecht gerichtlich gegenüber der Daimler AG durchzusetzen.
Es war ein wirklicher Paukenschlag im Diesel-Abgasskandal rund um die Daimler AG und ihre Kernmarke Mercedes-Benz: Vor einigen Wochen hat bereits das Oberlandesgericht Stuttgart, sozusagen das „Heimatgericht“ des Autokonzerns, herausgestellt, dass sich Daimler in den Verfahren des Abgasskandals mit den Informationen zu eigenen Abschalteinrichtungen, den sogenannten „Thermofenstern“, nicht mehr wie in der Vergangenheit bedeckt halten darf. Künftig sind geschwärzte Dokumente nicht mehr ausreichend. Der Konzern müsse vielmehr die Funktionen der Abschalteinrichtungen ausführen und begründen, warum diese zulässig oder gar notwendig sei. Diese vorläufige Rechtsauffassung machte der 16a. Zivilsenat des OLG Stuttgart in drei Verfahren am 5. Mai 2020 klar und nimmt die Daimler AG damit massiv in die Pflicht.
Damit ist die Daimler AG am Zug, sich zu entlasten, da sie sich im Rahmen einer sogenannten sekundären Darlegungslast erklären muss. Dieses neue Verhalten schließt sich der vielbeachteten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2020 an. Danach können Schadensersatzansprüche im Abgasskandal gegen die Daimler AG von einem Gericht nicht einfach als Behauptungen „ins Blaue hinein“ abgewiesen werden“, fasst der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (www.hartung-rechtsanwaelte.de) die Argumente des Richters zusammen. Die Kanzlei Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde und hat die maßgebliche BGH-Entscheidung gemeinsam mit einem kooperierenden BGH-Anwalt erstritten.
Dazu kommt: „Das gilt auch dann, wenn kein Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorliegt. Vielmehr ist das Gericht laut dem BGH gehalten, ein angebotenes Sachverständigengutachten auch einzuholen, da ansonsten der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt wird“, erklärt der Rechtsanwalt.
Dass sich die Daimler AG im Diesel-Abgasskandal nicht länger hinter Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen verstecken kann und zur Funktionsweise von Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung äußern muss, hat nun auch das Oberlandesgericht Köln in einer entsprechenden Verfügung erlassen (18.05.2020; Az.: 24 U 419/19). In dem Verfahren geht es um sogenannte Thermofenster, welche die Daimler AG bei zahlreichen Mercedes-Dieselmodellen bei der Abgasreinigung als unzulässige Abschalteinrichtungen einsetzt. Dass eine Abschaltvorrichtung illegal ist, wenn sie zu einem erhöhten Emissionsausstoß im realen Straßenbetrieb führt, hat die Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof Eleanora Sharpston in einem vielbeachteten Verfahren am 30. April 2020 klargemacht. Diese Vorrichtungen seien nur in ganz engen Grenzen und nur zum unmittelbaren Schutz des Motors erlaubt.
Dieser Ansicht ist nun auch das OLG Köln gefolgt und hat entschieden, dass die Daimler AG darlegen muss, ab welchen Temperaturen und in welcher Weise die Abgasrückführung des streitgegenständlichen Fahrzeugs gesteuert werde. Ebenso müsse der Autohersteller unter anderem erklären, warum diese Funktion notwendig sei, um angeblich den Motor vor Schäden zu schützen. Für Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung ist damit klar: „Daimler wird es immer schwieriger haben, die Zulässigkeit der Thermofenster bei der Abgasreinigung zu begründen. Daher erhöhen sich die Chancen für Mercedes-Diesel-Besitzer mehr und mehr, ihr Verbraucherrecht gerichtlich erfolgreich durchzusetzen. Der Weg der Klage steht ihnen jederzeit offen und sollte auch dringend genutzt werden.“