BGH zweifelt VW-Argumente im Dieselskandal an
BGH VI ZR 252/19
VW hat sich im Abgasskandal immer gewunden: Ein Schaden sei nicht entstanden und wenn überhaupt, sei er durch das Software-Update wieder behoben wurden, hieß es immer wieder aus Wolfsburg. Der Bundesgerichtshof sieht das offenbar anders. Ein Urteil des BGH steht zwar noch aus. Der Vorsitzende Richter Stephan Seiters machte aber in der Verhandlung zum Aktenzeichen VI ZR 252/19 am 5. Mai 2020 deutlich, dass er zahlreiche Argumente von VW für nicht zutreffend hält und sie ihn nicht überzeugen. Ein Urteil soll in Kürze ergehen.
„Es liegt zwar noch kein Urteil vor, aber es deutet vieles darauf hin, dass VW im Abgasskandal vor dem BGH eine Niederlage einstecken muss. So wie es aussieht, werden die Karlsruher Richter die Schadensersatzansprüche gegen Volkswagen bestätigten“, sagt Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.
In dem Fall geht es um die Klage eines Verbrauchers, der 2014 einen VW Sharan als Gebrauchtwagen bei einem Autohändler für rund 31.500 Euro erworben hatte. Er dachte, dass er sich für ein umweltfreundliches Modell entschieden habe. Als der Abgasskandal bekannt wurde und auch sein Fahrzeug von den Abgasmanipulationen betroffen war, sah sich der Kläger von VW getäuscht und er machte Schadensersatzansprüche geltend.
Seine Klage hatte in zweiter Instanz vor dem OLG Koblenz Erfolg. VW habe ihn durch die Abgasmanipulationen vorsätzlich sittenwidrig geschädigt und müsse das Fahrzeug zurücknehmen und den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer erstatten, entschied das OLG. Unterm Strich hätte der Kläger so rund 25.500 Euro erhalten.
Er wollte sich allerdings keine Nutzungsentschädigung abziehen lassen und legte – wie VW auch – gegen das Urteil Revision ein.
Auch wenn das Urteil noch aussteht, so deutet nach der Verhandlung einiges darauf hin, dass der BGH das Urteil des OLG Koblenz weitgehend bestätigen wird. Dann wäre höchstrichterlich geklärt, dass VW im Abgasskandal zum Schadensersatz verpflichtet ist. Allerdings hält der BGH wohl auch einen Nutzungsersatz für VW für gerechtfertigt. „Das ist natürlich bedauerlich. Insgesamt ist es aber erfreulich, dass der BGH vermutlich verbraucherfreundlich entscheiden und für rechtlich klare Verhältnisse sorgen wird“, sagt Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.
Die Entscheidung des BGH wird wegweisend für weitere Verfahren im Abgasskandal sein. „Wer einen vom Dieselskandal betroffenen VW, Audi, Seat oder Skoda mit dem Dieselmotor EA 189 gekauft hat, kann Anspruch auf Schadensersatz geltend machen. Das gilt auch für diejenigen, die sich am VW-Musterverfahren beteiligt und den Vergleich angenommen oder abgelehnt haben“, so Rechtsanwalt Dr. Hartung.
Gleichzeitig wirkt sich die zu erwartende Entscheidung auch bei Verfahren gegen andere Hersteller wie Mercedes oder BMW bzw. auch bei VW-Fahrzeugen mit dem Nachfolgemotor EA 288 aus. „Abschalteinrichtungen sind grundsätzlich unzulässig, wenn dadurch die Grenzwerte beim Emissionsausstoß im realen Straßenverkehr überschritten werden, machte Generalanwältin Eleanor Sharpston kürzlich in ihrem Schlussantrag bei einem Verfahren vor dem EuGH deutlich. Dazu zählt nicht nur die Abschalteinrichtung im Motor EA 189, sondern auch andere Funktionen, wie z.B. Thermofenster“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Hartung, Kooperationspartner der IG Dieselskandal.