Das – so befürchten Kritiker – ist nichts Halbes und nichts Ganzes; aber immerhin: Das am 9. Mai 2018 von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Musterverfahrensgesetz ist weit davon entfernt, Verbraucheransprüchen an eine Massenklage nach US-amerikanischem Vorbild zu entsprechen. Ab dem 1. November können nach der anstehenden Verabschiedung des Gesetzes große Verbände gegen große Hersteller zwar klagen, z. B. Verbraucherzentrale vs. Volkswagen, das Ergebnis stellt aber nur ein Muster dar, auf das sich dann notwendige Einzelklagen stützen können.
Der Verband muss 4 Jahre alt sein, die Zulassung und mindestens 350 Mitglieder haben und es muss sich eine bestimmte Zahl von Geschädigten in eine Liste eingetragen haben. Gewinnt der Verband den Fall, dann können Verbraucher unter Ausschluss eines Verfahrensrisikos ebenfalls in der gleichen Sache klagen. Dem Gesetzgeber ist es mit dem aktuellen Entwurf zumindest gelungen, die Anwälte im Boot zu behalten, denn nach positivem Ausgang eines Musterverfahrens müssen diese die Individualkläger juristisch vertreten.
Was ist denn jetzt so toll an der „Deutschen Sammelklage“? Ganz einfach: Bislang war es Verbänden allenfalls möglich, Gegner abzumahnen und im weiteren Verfahren juristisch vorzugehen. Ab 1. November kann ein Verband, der die hohen Hürden der Zulassung meistern kann, wie ein Autobesitzer klagen und z. B. VW zur Anerkenntnis einer Schadensersatzpflicht bringen. Eine Gefahr droht: Solch ein Musterverfahren kann sich über Jahre hinziehen oder mit faulen Kompromissen enden.
Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung: „In der Sache bleibt aber bestehen, dass jeder einzelne Betroffene klagen muss und nicht alle Teilnehmer, die sich eingetragen haben, vom Ausgang des Musterverfahrens direkt profitieren – unter Umständen wäre mehr drin gewesen.“
Mit Blick auf die eintretende Verjährung im VW-Abgasskandal bleiben da einige Fragen offen, denn der Ausgang des Musterverfahren wird nicht vor 31. Dezember zu erwarten sein. Hartung: „Zumindest soll die Teilnahme am Musterverfahren den Eintritt der Verjährung hemmen. Das ist schon mal positiv zu bewerten.“
Der Jurist sieht auch die Problematik, dass ein schlechter Vergleich betroffene Opfer des Abgasskandals um ihre Möglichkeiten bringt, das „volle Programm“ an Schadenersatz einzufordern. Zumindest Betroffene Fahrzeugbesitzer mit Rechtsschutzversicherung sollten als auf eigene Verantwortung klagen, denn die Chancen sind aktuell recht aussichtsreich. Ein Großteil der Klagen von VW-Besitzern endet verbraucherfreundlich.
Wer sich wann und wo in welche Listen eintragen kann und was das dann kostet – all das steht noch nicht fest.