Abgasskandal - Schadensersatz auch bei Fahrzeugkauf nach September 2015
Kenntnis über Abgasmanipulationen kann nicht ab Herbst 2015 vorausgesetzt werden
Wer ein vom Dieselskandal betroffenes Fahrzeug aus dem VW-Konzern mit dem Motor des Typs EA 189 gekauft hat, hat hervorragende Chancen, Schadensersatzansprüche gegen VW durchzusetzen. „Das gilt auch dann, wenn das Auto erst nach dem Bekanntwerden des VW-Abgasskandals im September 2015 gekauft wurde. Auch in diesen Fällen haben verschiedene Gerichte den Verbrauchern inzwischen Schadensersatz zugesprochen“, sagt Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.
Volkswagen hatte am 22. September 2015 eine Ad-hoc-Meldung zu den Abgasmanipulationen veröffentlicht. „Nur aus einer Ad-hoc-Meldung kann nicht geschlossen werden, dass jeder Verbraucher über den Dieselskandal informiert war und schon gar nicht darüber, ob sein Fahrzeug von den Abgasmanipulationen betroffen ist. Davon kann erst ausgegangen werden als der Hersteller, also VW, Audi, Seat oder Skoda die Fahrzeugbesitzer über den Rückruf informiert und sie aufgefordert hat, in der Werkstatt ein Software-Update aufzuspielen“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Hartung.
Auch verschiedene Gerichte gehen nicht davon aus, dass bei Autokäufen nach September 2015 ein Käufer automatisch informiert gewesen sein muss, ob das Fahrzeug vom Abgasskandal betroffen ist. So sprach beispielsweise das Landgericht Stralsund mit Urteil vom 18. Juli 2019 einem Verbraucher Schadensersatz zu, der einen von den Abgasmanipulationen betroffenen Skoda Superb im September 2016, also ca. ein Jahr nach Bekanntwerden des Dieselskandal gekauft hatte (Az.: 1 O 90/18). Der Käufer sei durch die Abgasmanipulationen vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden und habe Anspruch auf Schadensersatz, so das LG Stralsund.
Die Kenntnis über die Abgasmanipulationen könne nicht ab September 2015 vorausgesetzt werden, da für den durchschnittlichen Käufer nicht ersichtlich gewesen sei, welches Fahrzeug konkret betroffen ist. Die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch VW wiege jedenfalls schwerer als die einfache Fahrlässigkeit des Kunden, stellte das Gericht klar.
Ähnlich entschied auch das Landgericht Ravensburg mit Urteil vom 9. November 2018 (Az. 2 O 211/18). Auch in diesem Fall hatte der Käufer einen vom Abgasskandal betroffenen Skoda erst 2016 erworben. Im Verkaufsgespräch wurde er nicht auf die Abgasmanipulationen hingewiesen. Das LG Ravensburg sprach ihm Schadensersatz zu. Es müsse besonders berücksichtigt werden, dass nicht nur die zulässigen Abgaswerte überschritten werden, sondern das VW gezielt finanzielle und technische Ressourcen darauf verwendet habe, ein System zur planmäßigen Verschleierung des Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden und Endverbrauchen zu schaffen, betonte das Gericht. Das OLG Stuttgart wies in mündlicher Verhandlung bereits darauf hin, dass es einer Berufung von VW keine großen Erfolgschancen einräumt. Es teile die Ansicht, dass ein Verbraucher auch nach dem 22. September 2015 nicht wissen musste, welches Fahrzeug konkret vom Abgasskandal betroffen ist.
„Bei Schadensersatzansprüchen gegen VW kommt es also nicht auf das Datum des Kaufs an, sondern darauf, wann der Käufer über die Abgasmanipulationen tatsächlich informiert wurde“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Hartung, Kooperationspartner der IG Dieselskandal. Es lassen sich also auch Schadensersatzansprüche durchsetzen, wenn der von den Manipulationen betroffene Diesel nach dem 22. September 2015 gekauft wurde. Forderungen gegen VW können in der Regel noch bis Ende 2019 geltend gemacht werden bevor sie verjähren.