Daimler-Abgasskandal: Urteil stärkt Rechte von Verbrauchern
Dr. Gerrit W. Hartung hat ein bahnbrechendes Urteil für Mercedes-Benz-Fahrer erstritten. Auch ohne offiziellen Zwangsrückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt kann ein Fahrzeug mit Dieselmotor und Schummelsoftware gegen Entschädigung des Eigners zurückgegeben werden.
Bislang hielt sich das Gerücht, dass ohne offiziellen Zwangsrückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) im Dieselabgasskandal keine Verfahren zu gewinnen sind, hartnäckig. Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH aus Mönchengladbach hat nun nachgewiesen, dass das Gegenteil der Fall ist. Durch ein Urteil des Landgerichts Mönchengladbach (AZ 1 O 248/18) kann Hartungs Mandant nun seinen gebraucht gekauften Mercedes-Benz C220 (Schadstoffklasse Euro 6) zurückgeben, auch wenn für dieses Model kein verpflichtender Rückruf durch das KBA ausgegeben wurde.
Die Daimler AG muss aufgrund des für Hartung und seinen Mandanten erfolgreichen Verfahrens den Kaufpreis in Höhe von 30.000 Euro zurückzahlen, für die Zinsen in Höhe von vier Prozent ab Kaufdatum und in Höhe von fünf Prozent ab Klageerhebung sowie die außergerichtlich angefallenen Anwaltskosten aufkommen.
Für Rechtsanwalt Dr. Hartung ist es ein sensationelles Urteil. „Wir haben bewiesen, dass ein deutsches Landgericht auch ohne einen offiziellen Rückruf von der Unzulässigkeit einer technischen Einrichtung überzeugt werden kann.“ Die Daimler AG habe bislang keine zehn Urteile „kassieren“ müssen, unter Umständen kündige sich ein Wechsel in der Rechtsprechung an. „Das ist ein großer Erfolg und stärkt die Rechte von Verbrauchern im Dieselabgasskandal maßgeblich. Das Landgericht Mönchengladbach bestätigt uns in unserer Auffassung, dass das sogenannte „Thermische Fenster“ als Abschaltvorrichtung zu einem dauerhaft zu hohen und nicht dem Regelwerk beziehungsweise der Zulassungsgenehmigung entsprechenden Schadstoffausstoß führt. Das ist ein wesentlicher Grund, den Kaufvertrag rückabzuwickeln“, führt der Rechtsanwalt aus.
Seine Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft hat er erst im Frühling als ausschließliche Verbraucher- und Kapitalanlegerschutzkanzlei gegründet und greift zur Analyse und Prüfung von Verträgen und Schadenersatzansprüchen auf die sogenannte Legal Technology, also die Abwicklung juristischer Arbeitsprozesse über spezielle Software, zurück. „Unser Thema ist Schadensersatz – überall dort, wo Betroffene darum kämpfen müssen!“, stellt der Rechtsanwalt heraus.
Das Landgericht Mönchengladbach bescheinigte, dass es ausschlaggebend für die Rückabwicklung sei, dass der Hersteller ein reguläres und zulässiges „Thermisches Fenster“ für dieses Fahrzeug nicht eingehalten habe. Es sei hingegen irrelevant, ab welchen Temperaturen in die Abgasreinigung eingegriffen werde. „Demnach ist eine Abschaltung der Abgasreinigung nur dann zulässig, wenn durch Überhitzung eine Gefährdung der beteiligten Bauteile ansteht. Alles, was darüber hinausgeht, ist missbräuchlich und demnach als unzulässige Abschaltvorrichtung zu bewerten. Der Mercedes-Fahrer hatte das Fahrzeug im Bewusstsein gekauft, mit einem sauberen Motor auch etwas für die Umwelt tun zu können“, führt der Rechtsanwalt aus und sieht in dem Urteil ein positives Grundsatzurteil für die Rechte der Betroffenen. „Es kann nicht sein, dass die Dieselfahrer mit falschen Werten zum Kauf motiviert werden, ohne sich dagegen wehren zu können. Wir hoffen, dass das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach Schule macht. Immerhin sind hunderttausende Mercedes-Benz C220-Fahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 6 auf deutschen Straßen unterwegs.
In einem Punkt ist der Mönchengladbacher Verbraucherschutzanwalt aber unzufrieden. Das Gericht war seiner Sichtweise in Bezug auf die Nutzungsentschädigung nicht gefolgt, die der Mandant jetzt in Höhe von 2.500 Euro tragen muss. Mit der Nutzungsentschädigung erhält der Autohersteller einen Ausgleich für die Abnutzung des Fahrzeugs bei Rückgabe. Dagegen wird Hartung aber angehen und Berufung einlegen: „Wir wollen die Rechtsprechung verbraucherfreundlich weiterentwickeln. Daher wollen wir vor das Oberlandesgericht Düsseldorf, um dort die Unrechtmäßigkeit der anzurechnenden Nutzungsentschädigung in Abgasbetrugsfällen feststellen zu lassen.“