Schadensersatz für sog. Schummeldiesel, die nach Bekanntwerden des Abgasskandals gekauft wurden
Urteile LG Stralsund und LG Kaiserslautern
Am 22. September 2015 gab Volkswagen eine Ad-hoc-Meldung zu Unregelmäßigkeiten bei einer verwendeten Software bei Diesel-Motoren heraus. „Aus dieser Meldung kann aber nicht geschlossen werden, dass jeder Verbraucher Kenntnis vom Abgasskandal hatte. Selbst wer nach diesem Datum einen sog. Schummeldiesel gekauft hat, kann noch Schadensersatzansprüche geltend machen“, sagt Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.
Dies wird beispielsweise durch ein Urteil des Landgerichts Stralsund vom 18.07.2019 belegt (Az.: 1 O 90/18). In dem Fall hatte der Kläger einen vom Dieselskandal betroffenen Skoda Superb 2.0 TDI gekauft – und zwar im September 2016, also etwa ein Jahr nachdem der Abgasskandal aufgeflogen war. Dennoch habe der Kläger Anspruch auf Schadensersatz und Rückabwicklung des Kaufvertrags, entschied das Gericht.
Das LG Stralsund stellte zunächst fest, dass VW die Kunden durch die Verwendung der Manipulations-Software vorsätzlich sittenwidrig geschädigt habe. Die Käufer seien dadurch getäuscht worden und hätten letztlich einen Kaufvertrag über ein Fahrzeug abgeschlossen, das sie so nicht gewollt haben. Daran ändere auch nichts, dass VW im September 2015 eine Ad-hoc-Mitteilung zu den Abgasmanipulationen veröffentlicht hat und das Thema in den Medien und Öffentlichkeit diskutiert wurde.
Für den durchschnittlichen Käufer sei nicht ersichtlich gewesen, welches Fahrzeug konkret betroffen ist. Die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch VW wiege jedenfalls schwerer als die einfache Fahrlässigkeit des Kunden, so das Gericht.
In einem ähnlichen Fall hat auch das Landgericht Kaiserslautern verbraucherfreundlich entschieden (Az.: 3 O 569/18). Hier hatte der Kläger im April 2016 einen VW Tiguan mit dem als Schummeldiesel bekannt gewordenen Motor des Typs EA 189 gekauft. Im Dezember 2016 wurde er von der Volkswagen AG über den Rückruf informiert. Das LG Kaiserslautern sprach dem Kläger Schadensersatz zu. Kenntnis über die Manipulation eines konkreten Fahrzeugs erhalte der Käufer erst, wenn er vom Hersteller oder dem Kraftfahrt-Bundesamt offiziell darüber informiert wurde. Eine Ad-hoc-Meldung oder mediale Berichterstattung begründe nicht die Kenntnis, dass ein bestimmtes Fahrzeug von den Abgasmanipulationen betroffen ist, so das Gericht.
„Die Urteile zeigen, dass sich auch Schadensersatzansprüche durchsetzen lassen, wenn der sog. Schummeldiesel nach dem 22. September 2015 gekauft wurde. Entscheidend ist weniger das Kaufdatum, sondern vielmehr das Datum des Schreibens zum Rückruf. Über die Rückrufaktionen wurden die Käufer überwiegend erst 2016 informiert, so dass die Ansprüche in der Regel auch erst Ende 2019 verjähren“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Hartung, Kooperationspartner der IG Dieselskandal.