Unzulässige Abschalteinrichtung beim Audi A4 3 Liter TDI
LG Stuttgart 7 O 265/18
Audi muss dem Käufer eines Audi A4 mit 3-Liter-Dieselmotor Schadensersatz leisten. Das Landgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 8. Januar 2019 in einem Verfahren gegen Hersteller und einen Händler festgestellt, dass Audi in dem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verwendet hat und deshalb zum Schadensersatz verpflichtet ist (Az.: 7 O 265/18). Der Händler muss das Fahrzeug zurücknehmen und den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung erstatten.
Nach Auffassung des Landgerichts Stuttgart ist das Thermofenster, das in einem bestimmten Temperaturrahmen die Abgasreinigung reduziert, eine unzulässige Abschalteinrichtung. Der Käufer sei dadurch sittenwidrig getäuscht worden und Audi deshalb zum Schadensersatz verpflichtet. Bei dem durch den ursprünglichen VW-Abgasskandal kleineren Dieselmotor des Typs EA 189 haben schon zahlreiche Gerichte entschieden, dass die Käufer aufgrund einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch den Hersteller Anspruch auf Schadensersatz haben. „Diese Rechtsprechung setzt sich nun offenbar auch bei den größeren 3-Liter-Dieselmotoren durch. Auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, zeigt es, dass Schadensersatzansprüche aufgrund von Abgasmanipulationen durchgesetzt werden können“, sagt Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.
In dem zu Grunde liegenden Fall hatte der Kläger im Oktober 2015 einen Audi A4 Avant 3,0 Liter TDI bei einem unabhängigen Händler bestellt und den Pkw im März 2016 erhalten. Zur Reduzierung des Stickoxid-Ausstoßes kommt bei dem Fahrzeug sowohl ein SCR-Katalysator zum Einsatz als auch die sog. Abgasrückführung. Diese wird bei kühleren Temperaturen zurückgefahren, so dass bei einer Temperatur ab 5 Gard eine signifikante Reduktion erfolgt. Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die Abgasreinigung auch schon bei höheren Außentemperaturen reduziert wird.
Audi führte dazu schließlich aus, dass die Abgasreinigung bei Außentemperaturen zwischen 20 und 5 Grad Celsius drehzahlunabhängig zwischen 100 und 96 Prozent liege und bei Temperaturen zwischen 5 und minus 10 Grad zwischen 96 und 82 Prozent. Ab minus 12 Grad werde die Abgasrückführung komplett zurückgefahren. Dieses sog. „Ausrampen“ sei nötig, um den Motor vor massiven Schäden zu schützen. Weiter gab Audi an, dass die meisten Dieselfahrzeuge aller Hersteller über ein solches Thermofenster verfügen.
Die Argumentation überzeugte das LG Stuttgart nicht. Es stufte das Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung ein. Durch die Verwendung dieser Abschalteinrichtung sei der Kläger vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden und habe einen Anspruch auf Schadensersatz.
Die Abgasrückführung werde schon bei höheren Temperaturen als 5 Grad reduziert. Bei einer durchschnittlichen Jahrestemperatur von beispielsweise 10 Grad in Stuttgart oder nur 4,8 Grad in Helsinki werde die Abgasrückführung praktisch ununterbrochen zurückgefahren. Dass eine solche Abschalteinrichtung im Dauerbetrieb für den EU-Gesetzgeber nicht als legal gelten sollte, liege auf der Hand, so das LG Stuttgart. Audi habe eben nicht dargelegt, dass es sich bei der Abschalteinrichtung um eine Ausnahme handele, sondern wie auch andere Autohersteller das Regel-Ausnahmeverhältnis ins Gegenteil verkehrt. Zudem sei nicht dargelegt worden, dass die Versottungsgefahr technisch nicht auch durch andere Maßnahmen, die ggf. teurer wären, verhindert werden könnte.
Das LG Stuttgart kam zu der Überzeugung, dass der Kläger das Fahrzeug nicht gekauft hätte, wenn er von der unzulässigen Abschalteinrichtung gewusst hätte. Audi habe in großem Umfang und mit erheblichem technischen Aufwand zentrale Zulassungsvorschriften ausgehebelt und Aufsichtsbehörden und Kunden bewusst getäuscht, um die Typengenehmigungen für die Fahrzeuge zu erhalten und in den Verkauf zu bringen.
„VW und auch die Konzerntöchter Porsche oder Audi können den Abgasskandal noch lange nicht zu den Akten legen. Es setzt sich immer mehr die Auffassung durch, dass auch bei den 3-Liter-Dieselmotoren unzulässige Abschalteinrichtungen verwendet wurden und daher Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können“, so Dr. Hartung, Kooperationsanwalt der IG Dieselskandal.